"Brüderlichkeit und Einheit der Völker Jugoslawiens sind das Wesentliche", sagt Josip Broz Tito, als er 1945 Ministerpräsident des befreiten Landes wird. "Ohne diese Brüderlichkeit und Einheit gibt es kein starkes und glückliches Jugoslawien." Es geht damals um den Aufbau des Sozialismus und um die Alleinherrschaft der Kommunistischen Partei, sagt Marie-Janine Calic, Professorin für südosteuropäische Geschichte an der Universität München: "Er war fest überzeugt, dass ein Mehrparteiensystem zum Bürgerkrieg zwischen Kroaten, Serben und anderen Völkerschaften führen würde." Deshalb wird Jugoslawien in sechs gleichberechtigte Republiken zerlegt.
Tito wird am 7. Mai 1892 in einem Dorf im Norden Kroatiens unter dem Namen Josip Broz geboren. Nach einer Schlosserlehre ist er als Gastarbeiter in Böhmen, Süddeutschland und Österreich unterwegs. 1913 wird er in die österreichisch-ungarische Armee eingezogen. Im Ersten Weltkrieg kommt er in russische Kriegsgefangenschaft. Nach der russischen Revolution 1917 wird er Kommunist. 1920 kehrt er ins Königreich Jugoslawien zurück, wo die Kommunistische Partei verboten ist. Broz wird Berufsrevolutionär und geht in den Untergrund. 1934 wird er ins Zentralkomitee berufen und nennt sich fortan Tito.
Gründer der "Blockfreien Staaten"
Im Zweiten Weltkrieg führt Marschall Tito die Partisanen an im Kampf gegen die deutschen Besatzer und ihre Kollaborateure - die Ustascha in Kroatien sowie die Tschetniks in Serbien. Dabei erwirbt sich der Marschall auch den Respekt des Feindes: "Ich wollte, wir hätten in Deutschland einige Dutzend Titos", sagt Heinrich Himmler, Reichsführer der SS, im September 1944. "Er hat nie kapituliert."
Nach dem Krieg verbittet sich Tito beim Aufbau seiner Form des Realsozialismus die Einmischung von außen. Das führt 1948 zum Bruch mit Stalin, den er zuvor verehrt hat. 1953 wird Tito Staatspräsident. Bald nach Stalins Tod normalisieren sich die Beziehungen zur Sowjetunion wieder. Doch alle Belehrungsversuche kontert Tito selbstbewusst: "Genosse Chruschtschow wiederholt häufig, dass man den Sozialismus nicht auf amerikanischen Weizen errichten kann. Aber ich meine, dass man es kann, wenn man es versteht." 1961 gründet Tito die "Bewegung der Blockfreien Staaten". Das bringt ihm weltweit großes Ansehen ein.
Dritter Weg zwischen Sozialismus und Kapitalismus
Tito kombiniert Kommunismus mit Selbstverwaltung in den Betrieben und geht damit eine Art dritten Weg zwischen Staatssozialismus und Kapitalismus. In den 1960er Jahren kommt es in Jugoslawien zu einem wirtschaftlichen Aufschwung. Eine Konsumgesellschaft mit Fernsehern und Autos entsteht. Die Jugoslawen dürfen ausländische Zeitungen lesen und frei reisen. Tito selbst lebt im Luxus. Er besitzt Paläste und Jagdschlösser. Seine Staatsbankette sind legendär. Er empfängt nicht nur Könige und Präsidenten, sondern umgibt sich auch gern mit Schauspielern und Künstlern.
Spätestens in den 1970er Jahren zeigen sich Risse in Titos System, der inzwischen Präsident auf Lebenszeit ist. Die Wirtschaft lahmt, Jugoslawien lebt auf Kredit. Die Stimmen der Nationalisten in den Regionen werden lauter. "Es heißt, Jugoslawien werde zerfallen, wenn ich nicht mehr bin", sagt Tito im September 1970. "Wir müssen die Streitigkeiten zwischen den Republiken schlichten." Er macht Zugeständnisse. Die Republiken werden gestärkt, die Provinz Kosovo bekommt Autonomiestatus. Tito stirbt am 4. Mai 1980, drei Tage vor seinem 88. Geburtstag. Zu seiner Beerdigung kommen Könige, Präsidenten, Premier- und Außenminister aus über 100 Ländern. Bald danach zeigt sich: Tito war der Kitt, der Jugoslawien zusammengehalten hat. Kein Nachfolger steht bereit. Nationale Eifersüchteleien und Hass auf andere Ethnien und Religionen leiten das Ende Jugoslawiens ein. Anfang der 1990er Jahre bricht das Land in blutigen Kriegen auseinander.
Stand: 07.05.2012
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