Stichtag

2. März 1942 – John Irving wird geboren

Michael Milton verliert seinen Penis, Ellen James ihre Zunge, Garp ein Stück von seinem Ohr. Und dem Journalisten Patrick Wallingford kommt die Hand abhanden: ein Löwe verschlingt sie vor laufenden Kameras.

Die tragikomische Welt, in die John Irving seine Romanfiguren stößt, ist geprägt von skurrilen Verstümmelungen, unglaublichen Todesfällen – und vom Verlust. Mal ist es ein Kind, das verschwindet, mal auch der Vater. "Psychologisch autobiografisch" nennt Irving diese Art zu schreiben: "Man schreibt über etwas, was hoffentlich einem selbst, noch einem geliebten Menschen jemals zustoßen wird. Diese Angst treibt einen an."

Zumindest die Leerstelle des Vaters hat Irving am eigenen Leib erfahren müssen: Da sich die Eltern früh trennen, erfuhr er fast nichts über ihn.

Komische Romane vom Scheitern

Geboren wird Irving am 2. März 1942 in New Hampshire. Als Kind verbringt er die meiste Zeit auf der Ringermatte. Für eine Profikarriere jedoch reicht sein Talent nicht aus. Dann konzentriert er sich darauf, mit Worten zu ringen, und das im wahren Sinn des Worts: Bis heute ist Irving Legastheniker, der immer aufgeschlagene Wörterbücher neben sich auf dem Schreibtisch hat. 

1961 beginnt Irving ein Literaturstudium in Pittsburgh. Sein literarisches Auslandsjahr verbringt er in Wien, wo er "Die Blechtrommel" von Günter Grass für sich entdeckt. In Wien hat er auch die Idee zu seinem ersten Roman "Lasst die Bären los!" (1968). Der Durchbruch aber kommt erst zehn Jahre später mit dem vierten, später erfolgreich verfilmten Buch, "Garp und wie er die Welt sah" (1978), dessen Titelheld das Produkt eines merkwürdigen Zeugungsaktes zwischen einer Krankenschwester und einem Kriegsinvaliden ist. Das macht den Autor mit einem Schlag weltberühmt.

Danach erscheinen Romane wie "Das Hotel New Hampshire" (1981), die sich immer wieder um die für Irving typischen Themen – sexuelle Gewalt, gescheiterte Ehen, zerrüttete Familien, unglückliche Kinder – drehen. Bis heute sind zwölf Romane erschienen.  

Ein stinknormales Leben

Inzwischen lebt Irving abwechselnd im US-amerikanischen Vermont und in Kanada. Er ist in zweiter Ehe verheiratet, hat drei erwachsene Söhne und einen Hund, der Dickens heißt: benannt nach dem Schriftsteller Charles Dickens, dessen teils ins Groteske kippendem, sozial engagiertem Realismus er literarisch am meisten zu verdanken hat. Besonders deutlich wird dies in "Gottes Werk und Teufels Beitrag" (1985), das – wie Dickens‘ "Oliver Twist" – in einem Waisenhaus angesiedelt ist.

Im Gegensatz zu den Biografien seiner Helden verläuft Irvings Leben "stinknormale", wie er es selber nennt. Dies erst mache es ihm möglich, sich ganz auf sein Schreiben zu konzentrieren. Denn: "Deine Fantasie ist besser, wenn dein Leben in geordneten Bahnen läuft".

Stand: 02.03.2012

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