Gerhard Richters Bilder machen, was sie wollen. Davon jedenfalls ist der Maler überzeugt. Im Dokumentarfilm "Gerhard Richter Painting" von Corinna Belz kratzt Richter 2011 in seinem Atelier mit einem scharfkantigen Stück Holz immer wieder verborgene Malschichten von der Leinwand, oder er schiebt die noch feuchte Farbe hin und her, sodass seine berühmten verwischten Unschärfen entstehen.
Er wisse nicht, was am Ende bei seinen abstrakten Gemälden entstehe, gibt Richter an: "Weil ich weder etwas plane noch mir Rechenschaft über mögliche Gründe gebe". Geplant, so scheint es, hat der Maler zumindest seine Karriere ganz genau.
Vom sozialistischen zum kapitalistischen Realismus
Richter wird am 9. Februar 1932 in Dresden geboren. Nach einer Ausbildung als Wandmaler bekommt er in der DDR staatliche Aufträge, aber ihm fehlt die Freiheit zum eigenen Stil: Der sozialistische Realismus ist alleinige Kunstdoktrin. 1961 geht Richter mit seiner damaligen Frau Marianne in den Westen, wo er an der Düsseldorfer Kunstakademie studiert.
1963 entstehen hier die ersten verwischten Bilder nach fotografischen Vorlagen, die zentral werden für sein Werk, dem damaligen, von der abstrakten Kunst geprägten Publikumsgeschmack aber völlig zuwiderlaufen. Viele dieser frühen Bilder zerstört der Maler, weil sie ihm selbst nicht gefallen.
Während des Studiums lernt Richter Sigmar Polke und Konrad Lueg kennen. Mit Lueg veranstaltet er 1963 im Düsseldorfer Möbelhaus Berges die als Performance angelegte Ausstellung "Leben mit Pop – eine Demonstration für den kapitalistischen Realismus", bei der der spätere Direktor des Kölner Museum Ludwig, Kaspar König, auf ihn aufmerksam wird. König vermittelt Richter an den Galeristen Heiner Friedrich, der 1966 einen Zweijahresvertrag mit ihm abschließt. Von nun an zeichnet sich Richters Karriere durch eine kluge Wahl seiner Galeristen aus.
Was kann die Malerei?
In "Leben mit Pop" zeigt Richter eine gewisse Nähe zur amerikanischen Pop-Art, die sich durch die Verwendung alltäglicher Bilder aus Zeitungen und Zeitschriften ergibt. Anders als Andy Warhol oder Roy Lichtenstein aber lässt sich Richter nicht auf einen Stil festlegen. In der Folge entstehen neben Stadt- und Landschaftsbildern auch der politisch motivierte 15-teilige Bilderzyklus "18. Oktober 1977" über den Tod der RAF-Terroristen Andreas Baader, Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin oder Gemälde, die aus verschiedenen, akribisch ausgemalten Farbfeldern bestehen ("1024 Farben") – sowie gänzlich abstrakte, verwischte Gemälde und Übermalungen.
"Stilbruch als Stilprinzip" nennt der Kunsthistoriker Klaus Honnef die immer wieder ansetzende Suche nach neuen Ansätzen. Tatsächlich geht es Richter darum, alle Möglichkeiten der Malerei auszuloten.
Zeitlos und funkelnd
2006 wird im Kölner Dom Richters über 100 Quadratmeter großes Fenster mit 11.500 Quadraten eingeweiht, das auf dem Gemälde "4069 Farben" des Malers von 1974 basiert. Wenn die Mittagssonne auf das mundgeblasene Antik-Glas trifft, sprüht und funkelt es in den Innenraum der Kathedrale.
Heute lebt Richter zurückgezogen mit seiner dritten Frau und seinen drei Kindern in Köln. Er gilt als einer der teuersten Maler der Welt. 2011 wurde ein Bild aus einer Serie mit brennenden Kerzen aus den 80er Jahren für 16,5 Millionen Dollar versteigert. Zur Entstehungszeit kostet es 15.000 D-Mark. Als Max Hetzler die Kerzenbilder in Stuttgart erstmals zeigt, verkauft er kein einziges davon. Was heute als zeitlos gilt, kam dem Publikum damals altmodisch vor.
Stand: 09.02.2012
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