Bei einem Besuch in Schottland gibt sich Frédéric Chopin entsetzt. Eines Tages muss er vor der Schlossgesellschaft der Lady Murray spielen. Danach versucht sich die Gastgeberin auf einer Konzertina. Abscheuliche Töne habe sie mit dem Instrument erzeugt, so Chopin. Sein Fazit: "Hier haben - scheint es - alle eine Schraube locker".
Erfunden wird die Konzertina - ein kleines, mit dem Akkordeon vergleichbares Instrument, das sich wegen seiner Tastenanordnung leicht spielen lässt - vom britischen Physiker Charles Wheatstone. Ungeachtet von Chopins vernichtendem Urteil erfreut sich das Instrument bis heute bei Folk-Gruppen, aber auch bei den Rolling Stones einiger Beliebtheit.
Die "Verzauberte Leier"
Geboren wird Wheatstone am 6. Februar 1802 in der Nähe von Gloucester. Kurze Zeit später übersiedelt die Familie nach London: Hier eröffnet sein Vater eine Musikalienhandlung. Sein Sohn vertieft sich derweil exzessiv in Physikbücher, wobei er wissenschaftliche Forschung mit dem väterlichen Geschäft kombiniert. Wheatstones kleine Musikautomaten werden ebenso Stadtgespräch wie seine "Verzauberte Leier", bei der die Klänge eines Orchesters im oberen Stockwerk der Musikalienhandlung für zahlende Besucher über einen Draht in einen leierförmigen Resonanzkörper im Erdgeschoss geleitet werden.
1923 erreicht die Nachricht der "Verzauberten Leier" auch den bekannten dänischen Physiker Hans Christian Ørsted. Er drängt Wheatstone, seine physikalischen Erkenntnisse zur Übertragung von Schallwellen, die der tönenden Erfindung zugrunde legen, publik zu machen. Über Nacht wird Wheatstone in Wissenschaftskreisen bekannt – nicht zuletzt auch dem Direktor der Royal Society, Michael Faraday, mit dem Wheatstone fortan eine lebenslange Freundschaft verbindet.
Pionier des Informationszeitalters
1834 wird Wheatstone Professor für Physik am berühmten King's College in London. Aber bereits im ersten Vorlesungssemester vergräbt sich der extrem scheue Physiker in sein Labor. Aus seinen dortigen Forschungen gehen eine Schreibmaschine und elektrische Uhren hervor - sowie seine berühmteste Erfindung: ein elektrischer Telegraph. Mit seiner Hilfe überträgt Wheatstone akustische Signale, indem er sie in elektrische Impulse verwandelt. Auf einer Anzeige weisen Magnetnadeln direkt auf Buchstaben: einfach zu lesen für Jedermann.
Gemeinsam mit dem findigen Unternehmer William Fothergill Cooke entwickelt Wheatstone den Telegraphen zum Kommunikationsinstrument für Eisenbahngesellschaften weiter. 1838 beginnt mit dem ersten Abschnitt eines Telegraphensystems für die "East Western Railway" das Zeitalter der elektrischen Verständigung. Gleichzeitig baut Wheatstone Messinstrumente für die Elektrotechnik wie die berühmte "Wheatstone-Brücke" zur Bestimmung elektrischer Widerstände.
Wheatstone wird reich - auch dank seiner Konzertina, die sich blendend verkaufen lässt. Er stirbt 1875 auf einer Vortragsreise in Paris.
Stand: 06.02.2012
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 6. Februar 2012 ebenfalls an Charles Wheatstone. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.