Mikroaufnahme einer HeLa-Zelle

Stichtag

4. Oktober 1951 - Henrietta Lacks stirbt in Baltimore

Die schwarze Tabak-Arbeiterin Henrietta Lacks wächst in den 1920er Jahren in Clover im US-Bundesstaat Virginia auf - auf derselben Farm, auf der ihre Vorfahren Sklaven waren. "Später zog sie nach Baltimore", sagt die amerikanische Wissenschaftsjournalistin Rebecca Skloot. "Dort wurde bei der 30-Jährigen 1951 Gebärmutterhalskrebs diagnostiziert." Zur Behandlung geht Lacks ins John-Hopkins-Hospital. Es nimmt weit und breit als einziges Krankenhaus farbige Patienten auf - allerdings in eigenen Warte- und Behandlungsräumen. Selbst Blutproben und Leichen werden separat gelagert. Die sogenannte Rassentrennung bestimmt den Alltag.

"Vor der Behandlung entnahm der Arzt ein Stückchen ihres Tumors - ohne es ihr zu sagen - und schickte es Dr. George Gey, Forschungsleiter für Gewebekultur am Hopkins", so Skloot. Gey hat damals seit Jahrzehnten vergeblich versucht, Zellkulturen aus menschlichem Gewebe zu züchten. Sein Antrieb: Zellen, die Grundelemente des Lebens, haben die Fähigkeit, Organe, Gewebe, Muskeln und Knochen aufzubauen. An Zellen wollen Forscher darum jene Versuche machen, die am Menschen verboten sind.

Kein Geld für einen Grabstein

Als Gey nun Lacks' Zellen in eine Nährlösung setzt, beobachtet er begeistert, dass diese Zellen nicht absterben, sondern sich täglich teilen. Nur wenige Etagen und Flure entfernt müssen die Ärzte dagegen hilflos zusehen, wie die Krebszellen Henrietta Lacks' Körper zerstören. Am 4. Oktober 1951 stirbt die Mutter von fünf Kindern unter furchtbaren Schmerzen. Begraben wird sie auf einem Friedhof für Schwarze, hinter der Holzhütte ihrer Großeltern. Für einen Grabstein fehlt das Geld.

Die Tumorzellen der 31-Jährigen hingegen vermehren sich in Geys Labor weiter. Von dort gelangen sie in alle Welt - unter der Bezeichnung HeLa, dem laborüblichen Kürzel aus den Anfangsbuchstaben des Vor- und Nachnamens. "Sie gehören zu den wichtigsten Ereignissen in der Medizin", sagt Skloot. Schon bald entwickeln Forscher mit Lacks' Zellen einen Impfstoff gegen Kinderlähmung und später auch eine gegen Gebärmutterhalskrebs. "HeLa-Zellen werden als erste geklont, ihre Gene als erste kartiert", so Skloot. "Parkinson- und wichtige Krebs-Medikamente gehen auf sie zurück."

50 Tonnen HeLa-Zellen

Zehn Jahre nach Henriettas Tod begreifen die Wissenschaftler langsam, weshalb deren Zellen "unsterblich" sind: Weil es Krebszellen sind. Normale Zellen leben mit einer Art Streifenkarte. Bei jeder Zellteilung wird ein Abschnitt entwertet, bis nach rund 50 Teilungen der Fahrschein abgelaufen ist - die Zelle stirbt. Krebszellen wie HeLa besitzen dagegen einen Dauerfahrschein. Für Krebskranke die Hölle, für Zellforscher ein Himmelsgeschenk. Denn gleichzeitig funktionieren Krebszellen in vieler Hinsicht wie normale Zellen.

Weil die HeLa-Zellen zudem widerstandsfähig, billig und leicht verfügbar sind und sich besonders rasch vermehren, werden sie zum Millionengeschäft. Eingesetzt werden sie bei Kosmetik- und Pharmafirmen, in der Raumfahrt und beim Militär, in der Zellforschung und der Genetik. Zusammengenommen würden die HeLa-Zellen heute rund 50 Tonnen wiegen, sagt Journalistin Skloot.

Stand: 04.10.2011

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