Stichtag

16. September 1891 - Stephanie von Hohenlohe wird geboren

Ein großer Auftritt in der Berliner Reichskanzlei: Adolf Hitler begrüßt Ende 1933 Prinzessin Stephanie von Hohenlohe mit einem Handkuss im Beisein von Staatssekretär Hans-Heinrich Lammers. Die Prinzessin überreicht Hitler ein geheimes Dokument von Lord Rothermere. Der britische Zeitungsverleger bewundert die neuen Machthaber in Deutschland und will mit dem "Führer" in Kontakt treten. Stephanie von Hohenlohe wird zur Überbringerin wichtiger Briefe - und dadurch Hitlers "liebe Prinzessin". Sie ist immer wieder sein Gast.

Das Brisante daran: Stephanie von Hohenlohe ist jüdischer Herkunft. Hinweise seines Pressesprecher Ernst "Putzi" Hanfstaengl auf diesen Umstand ignoriert Hitler. Im Gegenteil: "Eines Tages überreicht er Stephanie von Hohenlohe das Goldene Parteiabzeichen", sagt Historikerin Martha Schad. "Sie wird damit eine Ehren-Arierin." Die Prinzessin lernt auch andere Nazi-Größen wie Joseph Goebbels und Hermann Göring kennen, für die sie ebenfalls teilweise in politischer Mission unterwegs ist. Später stellt sie fest: "Zwischen den Jahren 1934 und 1938 war ich eine wichtige Zeugin des Weltgeschehens."

In den Hochadel eingeheiratet

Geboren wird diese "wichtige Zeugin" am 16. September 1891 als Bürgerliche: Stephanie Richter ist die Tochter eines Wiener Rechtsanwalts. Kontakt zur High Society bekommt sie durch eine reiche adelige Klientin ihres Vaters, die sie zu Bällen und Jagdgesellschaften mitnimmt. Stephanie hat bald viele Verehrer. Von einem, der verheiratet ist, erwartet sie ein Kind. Der Vater ist Erzherzog Franz Salvator, Schwiegersohn des österreichischen Kaisers Franz Joseph. Um den Skandal zu vertuschen, arrangiert der Kaiser eine Heirat mit seinem Militärattaché in Ungarn, Prinz Franz von Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst. Mit der Hochzeit im Mai 1914 wird Stephanie zur Prinzessin - und ihr Sohn Franz sieben Monate später als Prinz geboren.

Nach sechs Jahren endet die Ehe auf Wunsch des Ehemannes. Frisch geschieden lernt die Prinzessin viele einflussreiche Männer kennen. Der Bedeutendste ist Lord Rothermere, so Historikerin Schad, der sie bittet, "in diplomatischer Mission für ihn zu arbeiten." Zunächst soll sie für Rothermere Kontakt zu ungarischen Adeligen herstellen. Doch der Plan, in Ungarn die Monarchie mit einem Habsburger auf dem Thron wiederzuerrichten, misslingt. Rothermere, der später die Appeasement-Politik des britischen Premiers Arthur Neville Chamberlain unterstützt, setzt nun auf die Nazis und macht die Prinzessin zu seiner Botin.

"Schlimmer als 10.000 Männer"

Während ihrer Tätigkeit als Geheimdiplomatin verliebt sich Stephanie von Hohenlohe in Hitlers verheirateten Adjutanten Friedrich Wiedemann. Als er Ende der 1930er Jahre Generalkonsul in San Francisco wird, folgt sie ihm nach Kalifornien. FBI-Chef Edgar Hoover informiert seine Beamten: "Die Prinzessin wird als äußerst intelligent, gefährlich, schlau und als Spionin, 'schlimmer als 10.000 Männer' charakterisiert." Als die USA in den Zweiten Weltkrieg eintreten, wird die Prinzessin interniert. FBI-Agenten sichern in ihrem Haus das goldene NSDAP-Abzeichen - und das Kochbuch ihrer Mutter. Da sie nicht deutsch sprechen, halten sie es für ein Geheimdokument.

Nach ihrer Entlassung am 9. Mai 1945 kehrt Stephanie von Hohenlohe nach Europa zurück und nutzt ihr weltumspannendes Kontaktnetz. In Deutschland wird sie für die Verleger Henri Nannen und Axel Springer tätig. So freundet sie sich laut Historikerin Schad etwa mit Henry Kissinger an, um ein Treffen mit Springer in die Wege zu leiten. Die Nazi-Vergangenheit der Prinzessin, die sich ihr Wissen über Prominente immer gut bezahlen lässt, ist dabei kein Thema. Stephanie von Hohenlohe stirbt am 13. Juni 1972 im Alter von 80 Jahren in Genf. Auf dem Grabstein steht allerdings als Geburtsjahr 1905. Als die eitle Prinzessin ins Krankenhaus eingeliefert wurde, hatte sie sich einfach um 14 Jahre jünger gemacht.

Stand: 16.09.2011

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