Otto Buchinger glaubt an das Heilfasten, weil es ihm selbst das Leben rettete. Ende des Ersten Weltkrieges leidet der Militärarzt Buchinger an einem schmerzhaften Gelenkrheuma, Antibiotika gibt es noch nicht, eine Heilmethode ist nicht bekannt. Im Alter von 40 Jahren steht er vorm Ruin: Er bekommt eine Rente von fünf Reichsmark; ihm droht der Rollstuhl, seiner Frau und den vier Kindern eine Existenz in Armut. Freunde raten ihm, zu fasten. Verzweifelt macht er den Versuch – und das Wunder geschieht: "Ich fastete 19 Tage, nur mit Tee, nur mit Wasser. 21 Tage schaffte ich nicht, denn ich wurde ohnmächtig und kollabierte. Aber nun kommt das Schöne: Ich konnte die Glieder wieder bewegen!" Laut eigenen Angaben wird er vollständig gesund, kann die Glieder wieder ohne Schmerzen bewegen.
Fasten helfe bei der Entschlackung
Für Buchinger ist die Heilung ein Schlüsselerlebnis und Anlass, die Idee des Fastens weiterzugeben. Am 20. Juli 1920 gründet er seine erste Fastenklinik in Witzenhausen an der Werra, das "Kurheim Dr. Otto Buchinger". 1935 verlegt es nach Bad Pyrmont. Otto Buchinger, geboren 1878 in Darmstadt, entwickelt seine Methode des Heilfastens allein durch akribische Beobachtung der Patienten. 1935 veröffentlicht er das Buch "Das Heilfasten und seine Hilfsmethoden", noch heute ein Klassiker der Naturheilkunde. Im Zentrum steht der Begriff der Entschlackung: Das Fasten reinige den Organismus und aktiviere die Selbstheilungskräfte. Viele Mediziner kritisieren diese Ansicht, da der Körper sich allein regeneriere. Fasten bringe den Stoffwechsel durcheinander und es drohe ein Vitamin- und Nährstoffmangel.
Behandlung von Körper und Seele
Doch Buchinger verordnet bis zu 30-tägige Fastenkuren - und sie helfen den Patienten. Grund dafür ist Buchingers gesamtheitlicher Ansatz: Er kombiniert die körperliche und seelische Betreuung. Während seiner früheren Reisen als Militärarzt nach Asien und Afrika beeindrucken ihn Kulturen, die Spiritualität ausleben. Buchinger strebt bereits als junger Mann ein einfaches, naturgemäßes Leben an, die Saufgelage beim Militär sind ihm zuwider. Er wird Mitglied bei den romantisch veranlagten Wandervögeln und der antialkoholischen Bewegung der Guttempler. In seinem Buch zum Heilfasten heißt es, dass "die Heilmittel Luft, Licht, Wasser, Diät, Homöopathie, Gut-Zureden des Arztes und Fasten fast alles zu leisten im Stande sind, was nötig ist, um Menschen vor Krankheiten zu bewahren und zu heilen". Bis zu seinem Tod 1966, im Alter von 89 Jahren, versammelt Buchinger die Patienten jeden Abend zur kollektiven Sprechstunde, spielt ihnen Beethoven vor, liest Werke von Goethe und Rilke und erzählt immer wieder seine eigene Erfolgsgeschichte. Die meisten Patienten lassen heute ihr Übergewicht in den beiden nach Buchingers Prinzipien geführten deutschen Fastenkliniken in Bad Pyrmont und Überlingen am Bodensee behandeln. Beide Kliniken werden von Buchingers Nachfahren geführt.
Stand: 20.07.10