Mit 26 Jahren fasst Karl Ernst Osthaus aus Hagen einen wichtigen Entschluss. Drei Millionen Mark hat der Bankierssohn geerbt; zwei Drittel will er in die Kunst investieren. "Folkwang" nennt er sein großes Museumsprojekt; sein neu zu errichtendes Wohnhaus soll ein Treffpunkt der geistigen Avantgarde werden. Zu diesem Zweck braucht Osterhaus einen geeigneten Architekten. Zur Jahrhundertwende fährt er nach Belgien, um den Architekten, Möbelgestalter und Designer Henry van de Velde für seine Ideen zu begeistern. 1906 wird das Wohnhaus - der Hohenhof in Hagen - fertiggestellt. Heute gilt der Hohenhof als ein Meisterwerk der frühen Moderne.
Henry van de Velde wird 1863 in Antwerpen geboren. Zunächst studiert er Malerei und feiert in Paris erste Erfolge im Kreis der Spätimpressionisten. Als Autodidakt wendet er sich schon früh der grafischen Gestaltung, später der Architektur und dem Möbeldesign zu. Gegen die mit Ornament und Plüsch überladene Architektur der Gründerzeit setzt van de Velde die fließende, aber klare Linie, die Raumelemente und Bauteile mit einander verbinden soll. Bei ihm ist selbst das dekorativste Element funktional. "Der Gebrauch fordert seine Form", sagt van de Velde: "Auf diese Weise erzeugt der Gebrauch die äußere Erscheinung."
Für Karl Ernst Osthaus gestaltet Henry van de Velde nicht nur den von außen eher schlichten Bau, der erst im Innern seine wahre Größe zeigt: Er entwirft auch jedes einzelne Möbelstück. Mehr noch: Sogar die Dame des Hauses trägt Van-de-Velde-Kleidung und geleitet die Gäste zum Tisch mit Van-de-Velde-Besteck und Van-de-Velde-Kaffeeservice.
Für van de Velde ist Architektur eine musikalische Komposition, in der alle Teile zu einem großen Ganzen verwoben sind: eine "Symphonie", die sich als harmonisches Gesamtkunstwerk versteht und nicht "durch falsche Töne geschändet" werden darf. Henry van de Velde stirbt am 25. Oktober 1957 in Zürich.
Stand: 25.10.07