In der Nacht auf den 28. September 1994 tobt ein Orkan über der Ostsee. Um 1.24 Uhr fangen mehrere Schiffe einen Notruf der Fähre MS Estonia auf. Sie ist unterwegs vom estnischen Tallinn nach Stockholm. "Wassereinbruch im Fahrzeugdeck. Wir haben 30 Grad Schlagseite", lautet die Nachricht. Danach bricht der Kontakt ab.
Schon eine Stunde später erreicht ein erstes Rettungsschiff die letzte bekannte Position der Estonia, 35 Seemeilen südlich der finnischen Insel Utö. Aber die Fähre ist verschwunden, gesunken innerhalb von Minuten. 137 Menschen werden in dieser Nacht aus den Fluten geborgen. 852 Passagiere und Seeleute ertrinken. Vielleicht auch mehr - denn bald stellt sich heraus, dass die Passagierlisten der Estonia schlampig geführt wurden.
Das bleibt nicht der einzige Skandal um die größte europäische Schiffskatastrophe nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Suche nach der Unglücksursache dauert Jahre und befriedigt manche Beobachter nicht. Die Havariekommission kommt zu dem Schluss, dass die Bugklappe der Estonia im Sturm abgerissen wurde. Weil die Fähre dahinter kein weiteres Schutz-Schott besaß, konnte das Wasser ungehindert in das Deck einströmen. Ein Konstruktionsfehler der deutschen Werft in Papenburg? Nein, sagen die Ermittler: Die Estonia wurde als Küstenschiff gebaut. Für ihren späteren Einsatz bei Ostseeüberquerungen war sie eigentlich nicht geeignet. "Das Schiff hatte nach den internationalen Vorschriften auf dem Seegebiet, auf dem es gefahren ist, nichts zu suchen", heißt es in einem Gutachten.
Als wäre diese Erkenntnis nicht schlimm genug, vermuten Andere hinter dem Untergang der Estonia finstere Machenschaften, Waffenschmuggel der Mafia, die Versenkung durch eine Bombe. Sogar ein Spielfilm erzählt diese Legende.
Stand: 28.09.04