Stichtag

08. Oktober 2004 - Vor 85 Jahren: Erste Volkszählung der Weimarer Republik

"Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde", beginnt der Evangelist Lukas die Geschichte der Geburt Jesu. Wie damals im Römischen Reich geht es auch bei den späteren Volkszählungen um verlässliche Zahlen für Vater Staat, damit er für seine Landeskinder besser planen kann. "Wenn man genügend kratzt, findet man eigentlich hinter jeder planerischen Entscheidung des Staates ein Stück Volkszählung", glaubt Walter Radermacher vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden. Und immer geht es auch um Geld und Macht. Der Finanzausgleich von Bund und Ländern ist ebenso abhängig von den ermittelten Bevölkerungszahlen wie der Zuschnitt der Wahlkreise.Am 8. Oktober 1919 beginnt die erste Volkszählung der Weimarer Republik. Auch die Politiker schauen interessiert auf das Ergebnis, denn in der Verfassung ist festgeschrieben, dass die Stimmenzahl eines Landes im Reichsrat - vergleichbar dem heutigen Bundesrat - von der Bevölkerungszahl abhängt. Mit genau 60.282.602 Menschen ist die damalige Bevölkerung Deutschlands um ein Viertel kleiner als die heutige.

In der Bundesrepublik wird regelmäßig alle zehn Jahre gezählt - bis es einigen zu viel wird. Sie rufen das Bundesverfassungsgericht an, weil sie Angst davor haben, vom Staat ausgespäht zu werden. Das oberste Gericht fällt 1983 das so genannte Volkszählungsurteil, das dem Bürger das Recht auf "informationelle Selbstbestimmung" einräumt. Die geplante Volkszählung wird auf das Jahr 1987 verschoben, ein Statistik-Gesetz mit verschärften Auflagen verabschiedet. Das kann die Volkszählungsgegner aber nicht besänftigen. "Zählt nicht uns, zählt eure Tage" lautet einer ihrer Slogans an die Adresse der Regierenden. Doch die Zählung wird durchgeführt, notfalls mit Bußgeldern durchgesetzt. Heute ist es um das Thema ruhig geworden. Die nächste Volkszählung in Deutschland ist für 2010 geplant. Dann wollen die Statistiker aber auf Daten der Meldeämter zurückgreifen und sie nur durch gezielte Stichproben ergänzen.

Stand: 08.10.04