Im eisigen Winter des Jahres 1849 wird der 28-jährige Fedor Michailowitsch Dostojewski in Sankt Petersburg auf den Richtplatz geführt. Gemeinsam mit anderen gesellschaftskritischen Literaten hat ihn der despotische Zar Nikolaus I. wegen "Teilnahme an verbrecherischen Plänen und Verbreitung eines Briefes voller frecher Ausdrücke gegen die orthodoxe Kirche und die höchste Gewalt" zum Tode verurteilt.
Im letzten Moment wird Dostojewskis Todesurteil in Verbannung nach Sibirien umgewandelt: Seine Erfahrung von Todesangst kann der Schriftsteller später im Roman "Der Idiot" (1868) verarbeiten. "Wie aber, wenn ich nun nicht sterben brauchte? Wenn ich weiterleben könnte?", wird er dort auch seine eigenen Gedanken wiedergeben. "Ich würde dann jede Minute in ein ganzes Jahrhundert verwandeln." Dostojewski geht einen anderen Weg: Er verwandelt die russische Welt in Literatur und jeder seiner Sätzewird zu einem psychologischen Kosmos.
Der Spieler
Geboren wird Dostojewski im November 1821 in Moskau. Sein Vater ist ein ebenso geiziger wie brutaler Arzt in einem Armenkrankenhaus; er wird später Vorbild für den Vater im Roman "Die Brüder Karamasow" (1880–1881).
Schon früh begeistert sich Dostojewski für die Klassiker der deutschen Literatur, für E.T.A. Hoffmann und Friedrich Schiller, so wie er zu Deutschland eine besondere Nähe empfindet. Vier Mal flieht er vor seinen Gläubigern dorthin, um seine leeren Taschen in den Kasinos von Baden-Baden oder Bad Homburg aufzufüllen: Sein Roman "Der Spieler" (1866) berichtet von dem am Spieltisch empfundenen Gefühlen zwischen Hoffnung und Verzweiflung.
Raubmord als Gedankenspiel
In seinem Frühwerk wendet sich Dostojekski vor allem dem Leben der "Armen Leute" (1845) zu. Die Scheinhinrichtung und die Jahre in Sibirien prägen schließlich sein "grausames Talent": das nicht zuletzt von Friedrich Nietzsche bewunderte Vermögen, das Seelenleben seiner oftmals verzweifelten Figuren bis ins Kleinste zu sezieren und dessen Dramatik offenzulegen.
Dabei werden Dostojewskis Figuren immer wieder vor allem von ihren schrecklicher Ideen gequält. So ist es auch im Roman "Schuld und Sühne" (1866), in dem der Student Raskolnikow durch seine These eines Gegensatzes von unwerten und heroischen Menschen zum Mord an einer Pfandleiherin getrieben wird. Dass er dabei im Verhör die eigene Kaltblütigkeit verliert und durch die Liebe einer engelsgleichen Frau geläutert wird, verweist auf den zutiefst menschenfreundlichen Kern im Werk Dostojewskis: Jeder Mensch kann von der eigenen Grausamkeit geheilt werden.
Fedor Michailowitsch Dostojewski stirbt am 9. Februar 1881 im Alter von 59 Jahren in Sankt Petersburg an einem Lungenemphysem. Mehr als 60.000 Menschen begleiten seinen Sarg zu seiner letzten Ruhestätte.
Stand: 09.02.2011
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