Stichtag

15. März 2010 - Vor 95 Jahren: Eröffnung der Filmstadt Universal City

Auf reißerische Reklame versteht sich Film-Mogul Carl Laemmle bereits in seinen Anfangsjahren. "Schauen Sie zu, wie wir Leute zum Lachen und Weinen bringen oder sie vor Spannung in ihre Sitze krallen lassen", tönt es 1915 von großen Plakattafeln in den amerikanischen Ostküsten-Metropolen. Sie sollen das Publikum nach Hollywood locken, einen Vorort von Los Angeles, der noch fünf Jahre zuvor ein unbekanntes, verschlafenes Provinznest war. Dann kamen scharenweise die Pioniere des Kintopps aus New York, angezogen vom kalifornischen Sonnenschein und auf der Flucht vor dem Unternehmens-Trust von Thomas Alva Edison, der mit seinen Patenten an Kameras und Projektoren das gesamte Kino-Business an der Ostküste beherrscht. Bald ist ganz Amerika verrückt nach bewegten Fantasiebildern aus Hollywood, das schlagartig berühmt wird als der Ort, wo Träume wahr werden. Der Produzent und Gründer des Universal-Studios, Carl Laemmle, nutzt diesen Glamour auf visionäre Weise - indem er nicht nur Filme dreht, sondern das Publikum auch zum Blick hinter die Kulissen einlädt – gegen Eintrittsgeld natürlich. Am 15. März 1915 öffnet Laemmle in Hollywood seine Traumfabrik Universal City, "ein Märchenland, in dem die verrücktesten Dinge passieren, die die Welt je gesehen hat".

Wie alle anderen Gründer der mächtigsten Film-Studios – Columbia, Metro-Goldwyn-Mayer, Paramount und Twentieth Century Fox - entstammt auch Laemmle einer jüdischen Familie aus dem alten Europa. 1867 im schwäbischen Laupheim als Sohn eines angesehenen Immobilienmaklers geboren, wandert er mit 17 Jahren allein in die Vereinigten Staaten aus. Nach Jahren als Gelegenheitsarbeiter macht Laemmle in einer Textilfabrik Karriere – bis er sich mit seinem Chef überwirft und 1906 wieder neu beginnen muss. In Chicago kauft sich der 38-Jährige ein Nickelodeon, wie die Vorläufer der Kinos damals heißen. Es sind dunkle, schmuddelige Vorführbuden, die überall wie Pilze aus dem Boden schießen. Nach zwei Jahren gehört Laemmle die Hälfte aller Nickelodeons der Stadt, die er als Erster zu ansehnlichen Lichtspielhäusern ausbaut. Die Nachfrage nach immer neuen Filmen ist immens. So steigt der kleine rührige Schwabe bald auch erfolgreich in das Verleih- und Produktionsgeschäft ein. Gegen den Widerstand des allmächtigen Edison-Kartells gründet Carl Laemmle 1910 zunächst die Independent Motion Picture Company und zwei Jahre später Universal Pictures.

Früher als seine Konkurrenz erkennt Laemmle das grenzenlose Potenzial des Star-Ruhms. Während andere Studiobosse ihre Darsteller noch aus Angst vor hohen Gagenforderungen in der Anonymität verstecken, erhebt Laemmle Schauspieler wie Mary Pickford und Rudolfo Valentino zu Ikonen des Stummfilms und verdient damit Millionen. Angelockt von deren Glamour pilgern die Amerikaner in Massen nach Hollywood, um in Universal City ihren Leinwandhelden bei der Arbeit zuzuschauen. Neben Hunderten von billig heruntergekurbelten Streifen für den Massengeschmack – Universal ist Spezialist für Horrorfilme - entstehen unter Laemmles Leitung auch Klassiker wie "Der Glöckner von Notre Dame", "Das Phantom der Oper", "Dracula" und "Im Westen nichts Neues". 1936 zieht sich der große Film-Pionier aus Laupheim ins Privatleben zurück. Geachtet als der menschlichste unter den legendären Hollywood-Magnaten, stirbt Carl Laemmle am 24. September 1939 in Beverly Hills.

Stand: 15.03.10