In der Burg finden die Soldaten Mädchen: tote, gefolterte und eingesperrte. Am 29. Dezember 1610 stürmen sie die Burg Čachtice in Ungarn, heute Slowakei, Sitz der mächtigen Gräfin Elisabeth Báthory. Schon seit längerer Zeit gibt es Gerüchte von verschwindenden Jungfrauen auf den Ländereien der Báthory. Der ungarische Graf György Thurzó, vom König Mathias II. beauftragt mit der Untersuchung des Falls, schreibt einen Tag nach der Erstürmung an seine Frau: "Als unsere Männer und Knechte in die Burg Čachtice eindrangen, fanden sie gerade ein Mädchen tot, ein zweites gefoltert und voller Wunden im Sterben liegend. Eine dritte Frau war ebenfalls gepeinigt und verwundet. Außerdem waren einige - für künftige Folterungen vorbereitet - in strenger Haft gehalten von der verfluchten Frau."
Aufgeplatze Leiber und Nägel in den Lippen
Die verfluchte Frau ist Elisabeth Báthory, 50 Jahre alt, seit dem Tod ihres Mannes vor vier Jahren, Herrscherin über ausgedehnte Ländereien in Österreich, Ungarn und der heutigen Slowakei. Sie entstammt einer der mächtigsten Familien Südosteuropas und konnte Reichtum und Einfluss nach der Hochzeit mit dem Grafen Franz Nádasdi weiter mehren. Nach dem Fund der toten und gefolterten Mädchen, steht sie unter Hausarrest; gleich zu Beginn des Jahres 1611 beginnt der Mordprozess gegen sie und vier ihrer Angestellten. 228 Zeugen haben laut Protokoll ausgesagt, Adlige aus der Umgebung, Bedienstete und ein ehemaliger Hofmeister, viele allerdings unter Folter. Báthory und ihre Helfer hätten die Mädchen mit Ruten und Stöcken geprügelt, bis ihr Leib aufplatzte, ihre Körper im Winter mit eiskaltem Wasser übergossen, ihnen mit Nägeln die Lippen zusammengeheftet, eine glühende Eisenstange in die Scham gestoßen oder mit Zangen Fleischstücke aus dem Körper gerissen. Wie viele Mädchen umgekommen sein sollen, ist unklar. In den Prozessakten ist von 30 bis 600 Opfern die Rede. Der Helfer János Ujváry, wohl vor allem für die Beseitigung der Leichen zuständig, wird geköpft. Zwei Bedienstete, Ilona Jó und Dorottya Szentes, erhalten eine grausamere Strafe: Nachdem ihnen die Finger ausgerissen wurden, verbrennen sie auf dem Scheiterhaufen.
Wat Báthory zu mächtig für den ungarischen König?
Die Gräfin Elisabeth Báthory als Hauptangeklagte wird lebendig auf ihrer Burg eingemauert, wo sie am 21. August 1614 stirbt. Der Prozess gegen die ungewöhnlich mächtige, finanzstarke und einflussreiche Gräfin erscheint heute fragwürdig: Er wird in Abwesenheit ihrer Person geführt, obwohl sie nur einige Räume weiter unter Arrest steht. Historiker urteilen heute, dass die Gräfin ihre Untergebenen vermutlich tatsächlich grausam behandelte, sich darin aber nicht von anderen Adligen ihrer Zeit unterschied. Weil politische Feinde sie und ihre einflussreiche Familie ausschalten wollten, wurde sie verurteilt. Ihr Ankläger, König Mathias II. von Ungarn, besaß weniger Geld und Ländereien als Báthory und hatte sich von ihr beträchtliche Summen geliehen. Zudem war die Gräfin, im Gegensatz zum Königshaus und den meisten ihrer Ankläger, Lutheranerin und keine Katholikin. Rund hundert Jahre nach ihrem Tod entstehen Legenden um die blutrünstige Gräfin. Anfang des 18. Jahrhundert berichtet der ungarische Jesuiten-Pater László Turóczi, dass Báthory entdeckt hätte, Blutspritzer von Jungfrauen würden ihre Haut jünger machen. Von da an soll sie regelmäßig im Blut von jungen Mädchen gebadet und beständig Nachschub gebraucht haben. Die Geschichte gilt heute als Erfindung, doch Báthory wird seitdem – vor allem mit dem Aufkommen des Vampirmythos - wahlweise als "Blutgräfin", Vampirin oder "Gräfin Dracula" bezeichnet.
Stand: 29.12.10