Gnade ist etwas, was niemand verlangen oder einklagen kann. Und dennoch gibt es in der Bundesrepublik ein Begnadigungsrecht. Es steht nach Artikel 60 des Grundgesetzes dem Bundespräsidenten zu: "Er übt im Einzelfalle für den Bund das Begnadigungsrecht aus." Begründen muss er seine Entscheidung nicht.
Bundespräsident gibt Befugnisse ab
Der Bundespräsident ist vom Grundgesetz aber auch dazu ermächtigt, die ihm eingeräumte Befugnis auf andere Bundesbehörden zu übertragen. Wegen der Vielzahl von Gnadenverfahren geschieht dies am 5. Oktober 1965 auch: durch die "Anordnung des Bundespräsidenten über die Ausübung des Begandigungsrechts des Bundes" (GnadenAO). Darin ist festgelegt, wann andere Institutionen für einen Gnadenerweis zuständig sind, etwa der Bundestagspräsident oder das Justizministerium. Das sind sie nur, wenn es um Fragen von Beamtenrecht oder Behördeninterna geht. Der Bundespräsident selbst ist seither nur noch für die Begnadigung von rechtskräftig Verurteilten zuständig, die vom Generalbundesanwalt angeklagt worden sind - wie zum Beispiel Terroristen, Spione oder Landesverräter.Dem Bundespräsidenten ist es aber nicht erlaubt, in ein laufendes Strafverfahren einzugreifen. Er darf auch keine Amnestie für eine ganze Personengruppe aussprechen. Das Begnadigungsrecht kann nur im Einzelfall ausgeübt werden.
"Gnadenstellen" an Landgerichten
Für alle Täter, die von einem Amts- oder Landgericht verurteilt worden sind, können die Ministerpräsidenten der Länder Gnadenerlasse aussprechen. Sie delegieren diese Entscheidungen an sogenannte Gnadenstellen der Landgerichte, wo "Gnadenbeauftragte" die Fälle prüfen. Dabei geht es zum Beispiel um die Frage, ob ein Gefangener, der schwer krank geworden ist, weiter in Haft bleibt. Oder ob ein verurteilter Drogenabhängiger nach einer erfolgreichen Therapie noch einmal ins Gefängnis muss - was einen Rückfall begünstigen könnte.
Stand: 05.10.10