Stichtag

15. Dezember 2010 - Vor 15 Jahren: EU-Gerichtshof verkündet das "Bosman-Urteil"

Echte Fußball-Kenner wissen: "Entscheidend is auf’m Platz!" Dass auch ohne spielerische Glanztaten historische Siege errungen werden können, beweist der Belgier Jean-Marc Bosman. Mit Hilfe der Justiz hebelt der Mittelfeldakteur keine gegnerischen Abwehrreihen aus, dafür aber das gesamte Spieler-Transfer-System des europäischen Fußball-Verbands UEFA. Vor 15 Jahren fällt der Europäische Gerichtshof eine Entscheidung, die als "Bosman-Urteil" Sportgeschichte schreibt. Dem bis dato auch Eingeweihten eher unbekannten Spieler verhilft das zu einmaliger Berühmtheit von zweifelhaftem Wert.

Fußballer als Arbeitnehmer 2. Klasse

Jean-Marc Bosmans Sturmlauf gegen das in der UEFA geltende Arbeitsrecht beginnt fünf Jahre zuvor. Der 25-Jährige hat sich mit seinem Club, Belgiens Erstligisten RFC Lüttich überworfen und will in die 2. Liga Frankreichs zum USL Dünkirchen wechseln. Im Juni 1990 platzt der Transfer, weil Dünkirchen die von Lüttich geforderte überhöhte 800.000 Dollar-Ablöse nicht bezahlen will - für Bosman ein kaum lösbares Problem. Denn Fußballer sind Angestellte ihres Vereins, müssen bei Vertragsabschluss aber Rechte aufgeben, die sonst für andere Arbeitnehmer gelten. Es bleibt den Clubs vorbehalten, Verträge nach ihren Vorstellungen zu verlängern oder den Spieler zu verkaufen und nach Vertragsablauf hohe Ablösesummen zu kassieren.
Die Vereine, vor allem kleinere, verteidigen dieses System als finanziell überlebensnotwendig. Profis wie der deutsche Nationalspieler Paul Breitner dagegen geißeln es als "modernen Sklavenhandel" – ohne allerdings dagegen vorzugehen. Jean-Marc Bosman aber zieht vor Gericht und kämpft sein Recht auf freie Arbeitsplatzwahl bis zur obersten Instanz durch. Am 15. Dezember 1995 entscheidet der Europäische Gerichtshof in seinem Sinn und verwirft die Ablösepraxis der UEFA. Einen anderen Grundpfeiler des Profi-Geschäfts, die so genannte Ausländer-Quote, kippen die Luxemburger Richter gleich mit: Fortan steht es den Vereinen frei, wie viele Ausländer sie in einer Mannschaft aufstellen.

Karriere-Ende in Armut

Das "Bosman-Urteil" führt zu einer explosionsartigen Steigerung der Profigehälter, vor allem bei den Stars. Statt Ablösesummen zu zahlen, locken finanzstarke Clubs nun mit enormen Handgeldern und besser dotierten Verträgen. Es verändert aber auch das Klima in den Stadien. Erfolglose Spieler werden nun als "Scheiß-Millionäre" beschimpft, Mannschaften mit hohem Ausländeranteil als "Söldner-Truppen". Eindeutiger Verlierer des EU-Entscheids ist aber der Kläger selbst. Weil kein namhafter Verein den unbeliebten Revoluzzer verpflichten will, muss Jean-Marc Bosman seine Karriere völlig mittellos vorzeitig beenden. Erst Jahre später zahlt ihm die UEFA eine Entschädigung von knapp 800.000 Euro.

Stand: 15.12.10