1804 hat Arthur Schopenhauer eine Art philosophisches Erweckungserlebnis. Im französischen Toulon besucht der 16-Jährige das berühmt-berüchtigte Arsenal der Galeerensklaven, die als Strafe für Verbrechen auf Gedeih und Verderb in den Schiffen aneinandergekettet sind. "Lässt sich eine schrecklichere Empfindung dencken, wie die eines solchen Unglücklichen", notiert Schopenhauer damals schockiert, "während er an die Bank in der finstren Galeere geschmiedet wird, von der ihn nichts als der Tod trennen kann!" Die Lasten des Lebens, die Ungerechtigkeit des Daseins, die menschliche Dummheit und Grausamkeit – dies alles wird seine Gedanken in der Folge ebenso prägen wie das Mitleid als Grundmotiv.
Der Philosoph als Kaufmann
Geboren wird Schopenhauer 1788 als Sohn eines angesehenen Kaufmanns in Danzig. Der Vater ist ein disziplinierter Pedant, die Mutter eine lebensfrohe, kunstbeflissene und poetisch begabte Frau, die später erfolgreich als Schriftstellerin leben und einen Salon betreiben wird, den auch der Dichter Johann Wolfgang von Goethe besucht. Sie nimmt den jungen Arthur unter ihre Fittiche, bis sein nörglerisches und grüblerisches Wesen sie zu langweilen beginnt.Schopenhauer ist 15 Jahre alt, als der Vater den an fremden Kulturen und Sprachen interessierten Sohn vor die Wahl stellt: Entweder darf er nach dem Gymnasium das gewünschte Studium beginnen, oder er soll Kaufmann werden – mit einer mehrjährigen Europareise als Lockangebot. Schopenhauer entscheidet sich für die Europareise. Danach beginnt er eine Lehre im Kontor eines Danziger Großkaufmanns – bis ihn der Tod des Vaters im Jahr 1805 finanziell unabhängig macht. 1813 promoviert er in Philosophie an der Universität Jena.
Der Wille steht im Zentrum
1819 publiziert Schopenhauer sein Hauptwerk "Die Welt als Wille und Vorstellung", das zu seinen Lebzeiten kaum gelesen wird. Zu sehr ist die philosophisch gebildete Schicht vom Idealismus Immanuel Kants und Johann Gottlieb Fichtes geprägt, um für den skeptischen Pessimismus des 31-Jährigen empfänglich zu sein. Die Vorlesung, die der selbstbewusste Philosoph 1820 zeitgleich zu einer Vorlesung Georg Wilhelm Friedrich Hegels an der Berliner Universität angesetzt, bleibt nahezu unbesucht. Heute hingegen gilt Schopenhauer als einer der wichtigsten Denker seiner Zeit.Anders als Kant setzt Schopenhauer nicht die Vernunft ins Zentrum seiner Philosophie. Für ihn ist der Mensch wie alle Natur vom blinden Trieb gesteuert, dem "Willen", wie er es nennt. Als Gefühlsgrundlage für ethisches Handeln macht Schopenhauer das Mitleid als universale menschliche Fähigkeit aus, an der das Leben sich auszurichten habe. Nur durch Mitleid werden Leid und Elend der Welt erträglich.Schopenhauer stirbt am 21. September 1860 in Frankfurt am Main. Vor allem Friedrich Nietzsche wird maßgeblich von seinem Pessimismus beeinflusst – auch wenn er das Mitleid nicht wie Schopenhauer als Triebfeder menschlicher Stärke, sondern als Ausdruck absoluter Schwäche betrachtet.
Stand: 21.09.10