Stichtag

25. August 2010 - Vor 70 Jahren: Profiboxer Norbert Grupe wird geboren

Mit einem maliziösen Grinsen, aber noch leicht angeschwollen, fläzt sich der "Prinz von Homburg" in seinen Studiosessel. 24 Stunden zuvor ist der blonde Profiboxer vom Argentinier Oscar Bonavena derart verdroschen worden, dass der Ringrichter dem Kampf bereits in Runde drei ein Ende machen musste. Im "Aktuellen Sportstudio" möchte Moderator Rainer Günzler Details der Niederlage erfahren, doch der "Prinz von Homburg", bürgerlich Norbert Grupe, schweigt zur Schmach. Was auch immer Günzler fragt, Grupe grinst nur zurück und schweigt. Günzler ist auf alles gefasst, schließlich genießt sein Gegenüber einen eindeutig zweifelhaften Ruf als unberechenbare Mischung aus Muhammad Ali, Klaus Kinski und Kiezschläger.

Als Prinz zum "Public Enemy"

Doch außer einem süffisanten "Recht schönen Dank, Herr Günzler" zum Abschied gibt Grupe an diesem Juniabend 1969 gar nichts von sich und hinterlässt damit eins der schrägsten Highlights der Fernsehgeschichte. Seinen scheinadligen Kampfnamen trägt der selbst ernannte Prinz seit den 50er Jahren. Damals tritt der 1940 in Berlin geborene Grupe in Kalifornien gemeinsam mit seinem Vater in Wrestling Shows als Inkarnation des "hässlichen Deutschen" auf. 1962 wechselt er in den USA zum Profiboxen und perfektioniert sein Image als "Public Enemy", den man bezahlt, um ihn im Staub zu sehen. Zwei Jahre später steigt Norbert Grupe zum ersten Mal in Deutschland als Prinz Wilhelm von Homburg in den Ring. 47 Kämpfe bestreitet er in den folgenden sechs Jahren im Halbschwer- und Schwergewicht, und gewinnt davon immerhin 30. Ein Titel aber bleibt ihm bis zu seinem letzten Fight im Dezember 1970 in Köln verwehrt.

Verhinderter Filmstar

Das Publikum erwartet von dem bizarren Exzentriker Skandale und wird selten enttäuscht. Grupe erscheint mit brennender Zigarre im Ring, beschimpft den Ringrichter als "eigenmächtigen Onanisten" und hält, mit Hut, Stock und Gehrock bekleidet, auf dem Hamburger Jungfernstieg Hof. Mehrmals steht er wegen Körperverletzung, Beihilfe zur Prostitution oder Drogenbesitz vor Gericht, insgesamt fünf Jahre seines Lebens verbringt er hinter Gittern. "Mir hat man in Deutschland alles zugetraut, nur nicht, unschuldig zu sein", resümiert Grupe später nicht ohne Stolz.Neben und nach seiner Box-Karriere versucht Norbert Grupe in der Filmbranche Fuß zu fassen, kommt aber über kleine Nebenauftritte, meist als Nazi-Schurke, nicht hinaus. Seine größte Rolle bleibt "Der Schweigende" im Aktuellen Sportstudio. Für viele Jahre verliert sich die Spur des blonden Prinzen in den Vereinigten Staaten, wo er - wie die Fachzeitung "Boxsport" 2002 berichtet - "an die 200 Mal umzieht und sein Geld als Taxifahrer verdient". Völlig vereinsamt erliegt Norbert Grupe am 10. März 2004 im mexikanischen Puerto Vallarta mit 63 Jahren einem Krebsleiden.

Stand: 25.08.10