Stichtag

13. Dezember 2010 - Vor 140 Jahren: Die Partei "Das Zentrum" wird gegründet

Wie bei vielen politischen Bewegungen beginnt die Geschichte der katholischen Partei "Das Zentrum" in der Aufbruchstimmung des sogenannten Vormärz. Nach der Märzrevolution 1848 gründen sich immer mehr katholische Vereine, die neben sozialen auch politische Ziele verfolgen. In Baden sind es bald 400, in Westfalen 120, in Breslau 130 Vereine mit Hunderttausenden Mitgliedern. Doch die acht Millionen Katholiken sind nur eine Minderheit. Als das evangelisch geprägte Preußen 1866 das vorwiegend katholische Habsburg besiegt, gilt dies auch in Deutschland vielen als Sieg der Protestanten über die Katholiken. Um ihre Interessen besser vertreten zu können, organisiert sich die katholische Bewegung nach den Wahlen im November 1870 auch parlamentarisch: Am Vorabend der ersten Landtagssitzung in Berlin treffen sich die fast 60 katholischen Abgeordneten und gründen am 13. Dezember 1870 die Fraktion des Zentrums im Preußischen Landtag. Die Partei will Glaubensfreiheit, Selbstständigkeit der Kirche und christliche Schulen. Sie versteht sich auch als soziale Volkspartei, die für einen Ausgleich zwischen Arbeit, Kapital und Landwirtschaft eintritt.

Bismarcks Kulturkampf

Bei den ersten Wahlen zum Deutschen Reichstag im März 1871 wird das Zentrum zweitstärkste Kraft - und zum Feind von Reichskanzler Otto von Bismarck. Im Konflikt um die Trennung von Kirche und Staat ist das Zentrum für Bismarck die Speerspitze einer "schwarzen Internationale", die angeblich vom Vatikan gesteuert wird. Bismarck startet einen Feldzug gegen die Katholiken, der als sogenannter Kulturkampf in die Geschichte eingeht. Viele Bischöfe werden inhaftiert oder gehen ins Exil. Fast jede vierte Pfarrstelle verwaist. Auch führende Zentrumspolitiker wie Ludwig Windhorst, Hermann von Mallinckrodt und Peter Reichensperger bekommen Bismarcks Abneigung zu spüren. Über Windhorst sagt Bismarck: "Mein Leben erhalten und verschönern zwei Dinge, meine Frau und Windhorst. Die eine ist für die Liebe da, der andere für den Hass." Letzlich erweist sich der "Kulturkampf" jedoch als Fehlschlag. Denn die Katholiken scharen sich nur noch enger um ihre Partei.

Fünf Kanzler in der Weimarer Republik

Mit den Jahren glätten sich die Wogen. Bisweilen unterstützt das Zentrum Bismarck sogar, etwa bei der Zollpolitik und der Einführung der Sozialversicherung. Doch erst nach der Ära des Eisernen Kanzlers wächst das Zentrum zu einem Machtfaktor heran. Die Partei arbeitet wesentlich an der Verfassung der Weimarer Republik mit. Bei den Reichstagswahlen holt es stets über zwölf Prozent der Stimmen. Pragmatisch ist das Zentrum an allen Regierungen beteiligt und stellt bis 1933 fünf Kanzler. Heinrich Brüning ist der letzte Kanzler mit Zentrums-Parteibuch. Unter Umgehung des zerstrittenen Parlaments regiert Brüning mit Notverordnungen. Er will verhindern, dass Adolf Hitler Kanzler wird - zur Not durch dessen kontrollierten Einbindung als Minister. Doch Brünig scheitert. Hitler wird Reichskanzler.

Hitler zur Mehrheit verholfen

In den Verhandlungen mit Hitler um das Ermächtigungsgesetz versucht das Zentrum, Teile der Verfassung zu retten: die Rechte von Reichspräsident und Reichsrat, die Unabhängigkeit der Justiz. Hitler verspricht das alles - mündlich. Die 73 Zentrums-Abgeordneten stimmen daraufhin am 23. März 1933 im Reichstag zu und verschaffen Hitler die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit. Doch Hitler hält sich nicht an seine Zusage. Seine Diktatur braucht und duldet keine Parteienvielfalt mehr. Im Juli 1933 kommt das Zentrum seiner Zerschlagung durch Selbstauflösung zuvor. Nach dem Zweiten Weltkrieg gründet sich im Oktober 1945 eine neue Zentrumspartei. Sie hat aber kein Gewicht mehr: Viele Mitglieder des alten Zentrums treten CDU und CSU bei, wo Protestanten und Katholiken vereint sind. 1957 löst sich die Bundesfraktion des Zentrums auf, Ende der 1960er Jahre ist ihr Stimmenanteil bei unter einem Prozent angelangt.

Stand: 13.12.10