Bis zum Ende seines Lebens erzählt der Bergmann Adolf Hennecke von seinem größten Tag: "Ich fuhr also am 13. Oktober ein und erreichte 387 Prozent meines Solls." An diesem Tag im Jahr 1948 fördert Hennecke fast 25 Kubikmeter Kohle, obwohl die Norm bei rund sechseinhalb Kubikmetern liegt. Hennecke wird damit zum Vorzeige-Bergmann der DDR und sein Name Teil der DDR-Kultur. "Es gießt wie Hennecke", sagen die DDR-Bürger, wenn es stark regnet. Und: "Der rennt wie Hennecke", wenn es jemand eilig hat. Doch Betriebsräte und Kumpel verehren Hennecke nicht - im Gegenteil. Bei ihnen gilt der Held als Normbrecher, der den anderen mit seiner Leistung Druck macht. Er bekommt Morddrohungen, später brennt sein Auto. Hennecke gibt immer zu, den Tag gut vorbereitet zu haben: Die Kohlenrutsche war perfekt platziert, die Werkzeuge vorbereitet und er machte keine Förderpausen. Doch Kritiker werfen ihm noch mehr vor: Er habe sich zwei optimale Kohlefelder reservieren lassen und zwei Kollegen an der Seite gehabt, die seine Kohle vorrangig abtransportierten.
Trotz der Kritik hat die SED ihr Ziel erreicht: Sie kann endlich einen Ober-Aktivisten vorführen. SED-Chef Walter Ulbricht will die kriegszerstörte Wirtschaft in Ostdeutschland aufbauen, doch Einheitslöhne spornen die Arbeiter nicht zu Höchstleistungen an. 1949 werden die Betriebsräte abgeschafft und 100.000 Aktivisten treiben die Arbeiter an. Ab 1950 vergibt die DDR offiziell die Auszeichnung "Held der Arbeit", verbunden mit 10.000 Ost-Mark plus Vorteilen bei der Zuteilung von Neubauwohnungen und Urlaubsplätzen. Der Aktivist aller Aktivisten ist Adolf Hennecke, SED-Mitglied und fleißiger Kumpel: "Die Arbeiter und Arbeiterinnen müssen von dem Bewusstsein durchdrungen werden, dass die Früchte ihres Fleißes nicht Millionenprofiten von Monopolisten dienen, sondern dass sie dem werktätigen Volke zugutekommen."
Hennecke macht Karriere, schafft es bis ins Zentralkomitee der SED, predigt Fleiß und Leistungsbereitschaft. "Wir wollten Laue aufrütteln, Zweifler überzeugen. Wir wollten zeigen, dass viel mehr möglich ist, als möglich erscheint", erinnert er sich später. Vorübergehend haben Hennecke und die anderen Aktivisten Erfolg: Die Leistungsbereitschaft vieler Arbeiter steigt. Doch im Alltag ist der Plan oft nicht zu schaffen, den die Produktionsbedingungen bleiben schlecht: Marode Maschinen gehen kaputt, es mangelt an Materialnachschub. Hennecke selbst geht mit 60 Jahren in Rente und stirbt am 22. Februar 1975 im Alter von 69 Jahren.
Stand: 22.02.10