Auf Münster schaut Martin Luther mit brennender Sorge. Der westfälische Bischofssitz mit seinen rund 10.000 Einwohnern ist zu Beginn des 16. Jahrhunderts nicht nur ein Zentrum für Gelehrte und Händler: Er ist auch der Nährboden für reformatorisches Gedankengut, das Luther gar nicht mehr behagt. "Wir besorgen uns, es möchte euch ein betrüglicher Geist zukommen", schreibt der Reformator deshalb 1532 an den Rat zu Münster: "Der Teufel ist ein Schalk und kann wohl feine, fromme und gelehrte Prediger verführen, welche vom reinen Wort sind abgefallen und wiedertäuferisch geworden".
Der charismatische Prophet
Luther fürchtet, dass radikale Christen seine Botschaft in Münster, wo alle sechs Pfarrkirchen evangelische Prediger haben, verfälschen und zum Politikum machen könnten. Und er hat Recht: Die Lehre der Wiedertäufer, die auf eine durch Erwachsenentaufe bezeugte Nachfolge Christi zielt, fällt hier auf fruchtbaren Boden. Im Januar 1534 läuft der lutherische Prediger Bernhard Rothmann wie ein Großteil seiner Gemeinde in Münster über. Seine Täufer kommen aus Amsterdam: Jan Matthys, ein apokalyptischer Prediger, und Jan Beuckelszoon, genannt Jan van Leiden.In der Folge steigt der charismatische und rhetorisch geschulte Jan van Leiden zum ersten Propheten auf, der der Bevölkerung das Ende der Welt und die Heraufkunft des in Münster angelegten neuen Jerusalem predigt. Als die Wiedertäufer die Ratswahl gewinnen, führen sie unter anderem die Vielweiberei und die Gütergemeinschaft ein. Eigentum wird konfisziert; wer sich weigert, muss gehen. Vor den Mauern der Stadt zieht der Münsteraner Fürstbischof im Februar 1534 seine Truppen zusammen und versucht, die Gemeinschaft mit einer Handelssperre auszuhungern – mit der Folge, dass sich die meisten der rund 7.000 Männer, Frauen und Kinder noch enger um ihren Führer scharen. Wer aber, um nicht Hungers zu sterben, fliehen will, wird hingerichtet.
Verrat und Folter
Die Wiedertäufer versuchen, in den Nachbarstädten Verbündete zu gewinnen, was aber misslingt. Als dem Schreiner Heinrich Gresbeck die Flucht aus Münster glückt, verrät er den Belagerern die Schwachstelle der Stadt. Sie ziehen über das Kreuztor nach Münster ein. Bei Gefechten Ende Juni 1535 kommen 600 bis 700 Menschen ums Leben. Jan van Leiden wird festgenommen und gefoltert, rückt aber von seinem Glauben nicht ab. Er stirbt sieben Monate später auf einem Schaugerüst auf dem Prinzipalmarkt. Ihm wird gemäß eines Gerichtsurteils "alles Fleisch mit glühenden Zangen von den Knochen abgerissen und dann Gurgel und Herz mit glühenden Eisen durchstoßen".
Stand: 24.06.10