Seiner Geschäftsidee bleibt der Raucher und Zigarettenfabrikant Philipp Fürchtegott Reemtsma treu: Die Zigarette einer Sorte muss immer gleich schmecken - egal, ob die Tabakernte gut oder schlecht ausfällt. Denn nur für gleichbleibende Qualität lohnen sich aufwändige Werbefeldzüge. Die besten Geschäfte macht Reemtsma während der Nazi-Zeit. Seinen Rekord schafft er im Herbst 1941: Als die Wehrmacht die Sowjetunion überfällt, verkauft er in einem einzigen Monat 3,7 Milliarden Zigaretten. Die Soldaten marschieren mit Reemtsma-Zigaretten in der Tasche in Richtung Moskau.
Die Karriere von Philipp F. Reemtsma, der am 22. Dezember 1893 in Osterholz-Scharmbeck bei Bremen geboren wird, beginnt bereits im Ersten Weltkrieg. Damals steigt er zusammen mit seinen Brüdern bei der kleinen Zigarettenfabrik "Dixi" ihres Vaters in Erfurt ein. Der ältere Hermann kümmert sich um die Produktion, Philipp ist der Stratege und stille Boss. Alwin, der Jüngste, wird mitgezogen. 1923 wechselt die Firma nach Hamburg und heißt nun "Reemtsma-Cigarettenfabrik". Philipp bringt vergleichsweise wenige Sorten auf den Markt: "R6", "Gelbe Sorte", "Juno" und "Ernte 23". Die Reemtsma-Brüder motivieren ihre Arbeiter mit guten Löhnen und führen die Fünf-Tage-Woche ein. Sie holen die besten Mitarbeiter, zum Beispiel den jüdischen Tabakeinkäufer David Schnur. Am Ende der Weimarer Republik beherrscht Reemtsma zwei Drittel des deutschen Zigarettenmarktes. Allerdings hat das Unternehmen Probleme mit den Nazis: Ein Dresdner Zigaretten-Fabrikant hatte eine "politische Zigarette" erfunden, als Glimmstängel gegen Großkonzerne und Juden. Die SA profitiert vom Verkauf der Marke "Sturm" und demoliert Läden, in denen Reemtsma-Zigaretten verkauft werden.
1932 arrangiert sich Reemtsma mit Adolf Hitler. Die beiden verabreden einen Deal: Reemtsma schaltet teure Anzeigen in der Nazi-Presse, dafür stoppt Hitler die Attacken gegen die Firma. Nach der Machtübegabe an Hitler wird die SA wieder aggressiver. Daraufhin hält sich Reemtsma an Hermann Göring, die Nummer zwei im Nazi-Staat. Mit Erfolg: Drei Millionen Reichsmark lässt Göring sich zahlen, um die SA zurückzupfeifen und Ermittlungen gegen Reemtsma niederzuschlagen. Fortan bekommt Göring einmal pro Quartal einen Scheck über 250.000 Reichsmark.Bei Kriegsende scheint Reemtsma am Ende: Zwei Söhne sind gefallen, der dritte ist an Kinderlähmung gestorben. Seine von ihm geschiedene Frau hatte sich schon vorher umgebracht. Reemtsma selbst wird wegen der Göring-Millionen angeklagt. Er lehnt jede Mitschuld ab. Später wird sein Verfahren in einer allgemeinen Amnestie eingestellt. 1950 ist er wieder im Geschäft und reaktiviert alte Marken. Zwei Jahre später bekommt Reemtsma mit seiner zweiten Frau einen weiteren Sohn: Jan Philipp Reemtsma. Am 11. Dezember 1959 stirbt Philipp F. Reemtsma kurz vor seinem 66. Geburtstag in Hamburg an Blasenkrebs.Jan Philipp Reemtsma verkauft später die Zigarettenfabrik und setzt das Geld für eine kritische Sozialforschung ein - unter anderem für eine Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht.
Stand: 11.12.09