Stichtag

30. Juli 2009 - Vor 100 Jahren: Eugène Schueller gründet L'Oréal

Die Erfolgsgeschichte des Weltkonzerns L'Oréal beginnt in einer Küche. Gerade einmal 26 Jahre alt ist der junge Chemiker, der in seiner Pariser Hinterhofwohnung eine bis dahin unbekannte Tinktur zusammenmischt. Die harte Kindheit hat Spuren auf seinem Körper hinterlassen: Eugène Schueller  ist klein, sein Hals verschwindet im Oberkörper, sein Rücken ist bereits gebückt. Früh hilft er seinem Vater, einem Konditor, arbeitet bis zu 18 Stunden am Tag, studiert nebenbei. In seiner Küche stellt er das erste synthetische Haarfärbemittel aus unbedenklichen Chemikalien her - nachdem Friseure über viele Jahrhunderte zum Haarefärben aggressive Metallsalze in die Haare kämmten. 

Arbeit und Disziplin prägen Schuellers Leben - auch nach der bahnbrechenden Rezeptur. Mit nur 800 Franc in der Tasche gründet er am 30. Juli 1909 seine eigene Firma, die "Société Française des Teintures Inoffensives pour Cheveux" - die französische Gesellschaft für nicht-aggressive Haarfarben. Später nennt er sein Unternehmen L'Oréal. Mit neuen Werbestrategien führt er es nach dem ersten Weltkrieg zum Erfolg: Er lanciert den ersten gesungenen Werbespot im Radio und lässt großflächige Plakate an Häuserwände anbringen. Schueller verfolgt eine perfide Marketingidee: "Sagt den Leuten, dass sie hässlich sind, dass sie nicht gut riechen und dass sie nicht schön sind." Schueller startet eine Kampagne für Körperhygiene, richtet sein Geschäft  früh international aus: Von Italien bis in die USA kaufen die Menschen seine Shampoos, Seifen und Haarfärbemittel.

Doch an der glatten Oberfläche des Kosmetikkonzerns tauchen in den 90er Jahren Falten auf. Was die wenigsten wissen: Der Gründungsvater von L'Oréal sympathisiert in den 30er Jahren mit den Nationalsozialisten und dem Vichy-Regime. Schueller schließt sich der rechtsextremen Geheimorganisation "La Cagoule" an, die terroristische Anschläge auf die französische Regierung verübt. 1941 schreibt Schueller: "Wir haben weder die Glaubensstärke des Nationalsozialismus noch den Antrieb eines Hitler." Nach der Besetzung Frankreichs gründet er die Bewegung "Mouvement social révolutionnaire ", die die Nazis aktiv unterstützt. Erst als die deutsche Kapitulation absehbar ist, löst er seine Kontakte zur nationalsozialistischen Bewegung und nimmt seine Geschäfte bald nach dem Krieg wieder auf. Und stellt ehemalige Kollaborateure ein. Schueller rekrutiert zum Beispiel Jaques Corrèze, einen Anhänger des Naziregimes, der in Naziuniform kämpfte und jüdische Familien in Frankreich enteignete. Nach dem Krieg macht Corrèze bei L'Oréal Karriere und bringt die Marke schließlich sogar in den USA auf den Markt. Erst die Recherchen von Schuellers Enkelin Françoise Bettencourt  bringen die Vergangenheit ans Licht, sie ist mit dem Enkel eines in Auschwitz ermordeten Rabbiners verheiratet. Zu diesem Zeitpunkt ist ihr Großvater längst tot, er stirbt 1957. Die Enthüllungen schaden dem Konzern kaum: L'Oréal ist das weltweit größte Kosmetikunternehmen mit einem Umsatz von knapp 18 Milliarden Euro, vertreten in 130 Ländern.

Stand: 30.07.09