Kurz nach Ende des Freitagsgebets tritt König Abdallah von Jordanien aus der Jerusalemer al-Aqsa-Moschee hinaus auf den Tempelberg. Begleitet wird er an diesem Julitag 1951 von Hussein, seinem 15-jährigen Enkel, der als Kadett der Königlich Britischen Militärakademie Sandhurst Heimaturlaub hat. Plötzlich nähert sich ein mit einer Pistole bewaffneter Palästinenser und tötet den König mit einem Kopfschuss aus nächster Nähe. Dann legt der Attentäter auf den 1935 geborenen Hussein an. "Ich sah den Rauch, hörte den Schuss und taumelte, als ich die Wucht auf meiner Brust spürte", berichtet Hussein später. Ein Orden an seiner Uniformjacke lenkt die Kugel ab; Hussein überlebt unverletzt. Es ist der erste von geschätzten 30 Mordanschlägen, die der künftige Monarch bis zu seinem frühen Krebstod 1999 unversehrt überstehen wird. Abdallahs Krone übernimmt zunächst Husseins Vater Talal. Aber schon ein Jahr später setzt ihn das Parlament wegen "psychischer Instabilität" wieder ab.
So besteigt Hussein ibn Talal am 2. Mai 1953 als Siebzehnjähriger in Amman den Thron des haschemitischen Königreichs Jordanien. Ein Land, das der britische Kolonialminister Winston Churchill 1921 nach eigenen Worten "erfunden" hat, damit es als Pufferstaat das umstrittene Palästina, die geplante Heimstatt der Juden, vom restlichen Arabien abschirmt. Diese Rolle zu erfüllen ist die Bestandsgarantie der jordanischen Monarchie im chronischen Krisenherd Nahost. Für den jungen König bedeutet sie den Beginn einer 46 Jahre dauernden Gratwanderung zwischen allen Lagern - und dem Wissen, dass seine Dynastie, die ihren Stammbaum direkt auf Mohammed zurückführt, nur überlebt, wenn Israel überlebt. Überraschend schnell gewinnt der junge, klein gewachsene König an politischem Format. Er widersteht den Umarmungsversuchen des ägyptischen Präsidenten Nasser, bietet sowjetischer Einflussnahme die Stirn und betreibt ebenso charmant wie diplomatisch eine pro-westliche Politik. Lavieren, ausgleichen, vermitteln - niemandem im Nahen Osten gelingt das so gut wie dem jordanischen König.
In der Weltpresse ist Hussein Dauergast, im Politik-Ressort ebenso wie in den Klatschspalten, die mit Vorliebe über seinen Hang zu großen Blondinen und schnellen Motorrädern berichten. Herzliche Aufnahme und dauerhafte Unterstützung findet Hussein vor allem in der Bundesrepublik. Bis heute fließt ein hoher Millionenbetrag an Entwicklungshilfe in das arme, dünn besiedelte Jordanien. 1967 allerdings unterläuft Jordaniens König ein schwerer taktischer Fehler, als er sich im israelischen Sechstagekrieg auf die Seite Ägyptens schlägt. Nach der vernichtenden Niederlage verliert Jordanien fast die Hälfte seines bewirtschafteten Staatsgebiets, Israel übernimmt die Kontrolle über die Westbank und ganz Jerusalem. Derart gedemütigt zetteln die Palästinenser 1970 in Amman einen Umsturzversuch gegen Hussein an. Am Ende des kurzen heftigen Bürgerkriegs ("Schwarzer September") ziehen die geschlagenen Palästinenser in den Libanon ab.Mitte der 70er Jahre beginnt der Nahost-Friedensprozess. Doch erst 1994, nachdem Hussein seinen Anspruch auf die Westbank aufgegeben hat, ist der Weg frei für den Friedensvertrag zwischen Jordanien und Israel. Nach seiner schweren Erkrankung ernennt Hussein anstelle seines Bruders seinen ältesten Sohn Abdullah zum Thronerben. Zwei Wochen später, am 7. Februar 1999, stirbt der König in Amman. An seiner Beisetzung nehmen 17 regierende Staatschefs aus aller Welt teil.
Stand: 07.02.09