9. Juli 1989, 21.45 Uhr: Steffi Graf betritt den Spiegelsaal des Londoner Savoy-Hotels im weißen, schulterfreien Kleid. Sie hat zuvor beim berühmtesten Tennisturnier der Welt in Wimbledon das Einzelfinale der Damen gewonnen. Boris Becker, der Sieger bei den Herren, an diesem Abend im Smoking, taucht erst eine Stunde später auf, als die Kellner bereits die Lachs-Pasteten servieren. Dann endlich können die Fotografen ihre Fotos der beiden deutschen Sieger schießen. Erstmals in der 112-jährigen Geschichte Wimbledons gehen die begehrtesten Einzeltrophäen des Welttennis beide nach Deutschland.
Steffi Graf zeigt im Turnier ihr bestes Tennis: Als Nummer Eins gesetzt gibt sie bis zum Finale keinen einzigen Satz ab und deklassiert unter anderem Monica Seles. Auch der Nummer Drei der Weltrangliste, Chris Evert, ergeht es nicht besser. Sie muss sich Graf im Halbfinale geschlagen geben. Einen etwas härteren Weg zu seinem vierten Finale im Wimbledon muss Boris Becker zurücklegen. Auch er übersteht alle Spiele bis zum Halbfinale ohne Satzverlust. Doch dort trifft er auf den an zweiter Stelle gesetzten Tschechen Ivan Lendl. Diesem fehlt noch ein Wimbledon-Sieg in seiner Karriere, er kämpft verbissen. Aber Becker spielt wie immer mit ganzem Körpereinsatz. Nach über vier Stunden und einer Regenunterbrechung schlägt er Lendl in fünf Sätzen.
Da der Regen den Spielplan durcheinander gebracht hat, finden beide Einzelspiele am Sonntag nacheinander auf dem Centre Court statt. Vor 16.000 Zuschauern und den Augen des Herzogs und der Herzogin von Kent muss zuerst Graf gegen Martina Navratilova antreten. Es ist eine Wiederauflage des Vorjahresendspiels, als Graf ihren ersten Wimbledonsieg erringen konnte. Auch in diesem Jahr muss sich Navratilova der Deutschen geschlagen geben. Graf gewinnt zum zweiten Mal in Wimbledon. Anschließend ist es an Becker, den deutschen Triumph perfekt zu machen. Auch er tritt gegen den selben Gegner wie im Vorjahr an, den Schweden Stefan Edberg. 1988 hat sich Becker noch geschlagen geben müssen. In diesem Jahr soll das nicht passieren. Und tatsächlich: Becker holt sich in seinem Wohnzimmer, wie er den Centre Court gerne nennt, seinen dritten Wimbledon Sieg.Die Weltpresse bejubelt das deutsche Siegerpaar: Die "Bild"-Zeitung titelt "Göttertennis", "Le Figaro" in Paris schreibt "Deutsche Stunde in Wimbledon" und die englische "Sun" nennt den Sieg "Double Deutsch". Die "Baltimore Sun" aus den den USA rät dem Herzog und der Herzogin von Kent: "Sie sollten doch jetzt besser ein wenig Deutsch lernen. Das würde Ihnen künftig die Unterhaltung mit den Gewinnern erleichtern."
Stand: 09.07.09