Stichtag

05. Februar 2009 - Vor 15 Jahren: Hermann Josef Abs stirbt in Bad Soden

16 Koffer mit Akten müssen seine Assistenten auf Geschäftsreisen mitnehmen. Bankier Hermann Josef Abs will alle Unterlagen auch unterwegs zur Hand haben. Er sitzt in den 1960er Jahren in bis zu 30 Aufsichtsräten, ist Vorstandssprecher der Deutschen Bank und politischer Berater. Auch mit den Gewerkschaften kommt er gut aus: Er befürwortet die betriebliche Mitbestimmung. Der Mann mit englischen Maßanzügen, Schnauzbärtchen und Lesebrille ist eitel. Man sagt ihm nach, dass er Abs so buchstabiere: A wie Abs, B wie Abs, S wie Abs. Trotz seiner Macht setzt er sich nicht mit seinen Ellenbogen durch, sondern punktet mit Diskretion und Geduld. Damit ist "der führende Bankier der Welt", wie ihn der US-Milliardär David Rockefeller bezeichnet, bis nach ganz oben aufgestiegen. Um seinen Einfluss einzudämmen, beschließt das Parlament 1965 eine sogenannte Lex Abs. Mit dieser Neuregelung im Aktienrecht wird die Zahl der Aufsichtsratsmandate auf zehn pro Person beschränkt.

Geboren wird Abs am 15. Oktober 1901 in Bonn. Der Bürgersohn wird katholisch erzogen. Er lernt Orgelspielen und will nach dem Gymnasium Mathematik und Musik studieren. Doch dafür fehlt nach dem Ersten Weltkrieg das Geld. Er macht eine Banklehre bei einem jüdischen Privat-Bankier und geht mit 21 Jahren als Devisenhändler in die Niederlande. Es folgen Stationen in England, den USA und Südamerika. Zurück in Deutschland bewährt er sich in einem Berliner Bankhaus bei der Sanierung von Karstadt. Der Konzern ist durch die Weltwirtschaftskrise in Schieflage geraten. Als die Nazis die Macht übernehmen, sieht Abs seine Chance für einen Karrieresprung: Er will die ganz große Orgel spielen, wie er sagt, und wechselt 1938 in den Vorstand der Deutschen Bank. Gleichzeitig wird er auch Direktor der Auslandsabteilung. Mit dem Staatsgold aus besetzten Ländern kauft Abs 1940 deutsche Auslands-Anleihen in Schweden zurück. Dafür bekommt er von Hermann Görings Ministerium rund 300.000 Reichsmark Provision. Abs sitzt im Aufsichtsrat der IG Farben, er ist beteiligt an der sogenannten Arisierung von jüdischen Vermögen. Später sagt Abs laut seines Biografen Prof. Lothar Gall: "Wer in so einer Stellung ist und behauptet, er wisse nichts von Auschwitz oder Majdanek, dem kann ich nicht glauben."

Nach dem Zweiten Weltkrieges wird Abs zum Bankier des sogenannten Wirtschaftswunders. Zunächst schlägt er den US-Amerikanern vor, die Marshallplan-Gelder als Kredite zu vergeben - über eine neue Bank: die Kreditanstalt für Wiederaufbau. An ihre Spitze tritt Abs. Dann verhandelt er im Auftrag von Bundeskanzler Konrad Adenauer ( CDU ) mit 38 Gläubigerländern über Deutschlands Auslandschulden. Dabei propagiert Abs einerseits die Bundesrepublik als alleinige Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches: "Weil wir ja ansonsten nicht von unserem Osten oder von unserer Saar hätten sprechen können." Andererseits will er aber nicht für die alten Schulden der abgetrennten Gebiete bezahlen. Das sind immerhin 40 Prozent der Vorkriegsfläche Deutschlands. Am Ende kann Abs 1953 die Schuldenlast für Deutschland halbieren. Als 1957 die zwangsaufgelöste Deutsche Bank neu entsteht, wird Abs ihr Vorstandssprecher. Nach zehn Jahren wird er Aufsichtsratsvorsitzender und bleibt bis 1976 in dieser Funktion. Als Ehrenmitglied des Aufsichtsrates nimmt Abs auch im hohen Alter regelmäßig an Sitzungen teil. Daneben wirkt er als Kunstmäzen. Abs stirbt am 5. Februar 1994 in Bad Soden.

Erst nach seinem Tod findet eine Historiker-Kommission der Deutschen Bank heraus: Die Bank hat Kredite für den Bau der Krematorien in Auschwitz vergeben. Zudem hat ein Beauftragter der Deutschen Bank in der Endphase des Krieges das Gold ermordeter Juden in der Schweiz verkauft. Die Kommission kommt zum Schluss, dass Abs von diesen Machenschaften wahrscheinlich gewusst hat.

Stand: 05.02.09