Zur Welt kommt Herbert Czaja am 5. November 1914 in Teschen in Österreich. Genauer gesagt: In dem Teil Schlesiens, der damals noch zu Österreich gehört und nach dem Ersten Weltkrieg polnisch wird. 1920 werden die Czajas polnische Staatsangehörige und in eine Liste deutscher Minderheitsangehöriger aufgenommen. Der Sohn eines Notars studiert Germanistik, Geschichte und Philosophie in Krakau und Wien. Der fließend polnisch sprechende Czaja arbeitet als Oberschullehrer und promoviert. Nach dem Überfall der Wehrmacht auf Polen 1939 weigert sich der gläubige Katholik in die NSDAP einzutreten, er engagiert sich in der Christlichen Deutschen Volkspartei in Ostoberschlesien. Von 1943 bis 1945 ist Czaja Soldat der Wehrmacht. Er wird verletzt und verliert ein Auge. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs folgt die Vertreibung: Insgesamt ziehen rund zwölf Millionen Vertriebene und Flüchtlinge aus Schlesien, Pommern, Ostpreußen und dem Sudetenland zu Fuß, per Schiff oder Zug nach West- und Ostdeutschland. Die Czajas kommen nach Stuttgart.
Czaja ist dort wieder im Schuldienst tätig und engagiert sich immer mehr politisch. 1946 tritt er in die CDU ein, wird Stadtrat in Stuttgart und 1953 Bundestagsabgeordneter. Er setzt sich vor allem für die Vertriebenen ein. Das Lastenausgleichs-Gesetz sorgt dafür, dass Flüchtlinge teilweise finanziell entschädigt werden. Im März 1970 wird Czaja Präsident des Bundes der Vertriebenen (BdV). Er bekämpft die sogenannte Ostpolitik der sozialliberalen Regierung. Mit der Unterzeichnung des Warschauer Vertrages über die Normalisierung der deutsch-polnischen Beziehungen akzeptiert Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) faktisch die Oder-Neiße-Grenze - und damit den Verlust der ehemals deutschen Ostgebiete. Czaja wirft Brandt vor, mit dem Vertrag "einen Totenschein für die Heimat der Ostdeutschen auszustellen". Immer wieder fordert der Vertriebenenfunktionär die Bundesregierung auf, "die deutsche Frage voll offenzuhalten und möglichst viel von Deutschland zu retten".
Für Kritik - auch innerhalb der CDU - sorgt Czaja mit dem Motto für das Schlesier-Treffen im Juni 1985 in Hannover: "40 Jahre Vertreibung - Schlesien bleibt unser". Der Hardliner hält an den Ostgebieten fest. "Wir sind gar nicht interessiert daran, dass Massen hier herüber kommen, im Gegenteil", sagt er im Januar 1989. "Wir sind der Meinung, dass möglichst viel der dreieinhalb bis vier Millionen daheim aushalten muss." Nach dem Fall der Mauer warnt Czaja vor einer "völligen Amputation Ostdeutschlands". Kompromisslos lehnt er einen endgültigen Verzicht auf die früheren Ostgebiete als Bedingung für die deutsche Wiedervereinigung ab. "Ein normales Volk", so Czaja, "amputiert ja nicht ein Viertel seines Staatsgebiets."Schließlich manövriert sich der Bund der Vertriebenen vollends ins politische Abseits: Im September 1991 fordert Czaja Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) auf, mit dem russischen Präsidenten Boris Jelzin "über den gemeinsamen Wiederaufbau von Nordostpreußen und ganz Königsberg zu verhandeln". 1994 gibt Czaja sein Präsidentenamt nach 24 Jahren auf. Er stirbt am 18. April 1997 im Alter von 82 Jahren in Stuttgart.
Stand: 05.11.09