Der Plan ist so einfach wie bestialisch: Erst sollen im Schulgebäude Bomben explodieren und für Panik sorgen. Dann sollen die ins Freie stürmenden Mitschüler und Lehrer erschossen werden. Draußen wollen Eric Harris und Dylan Klebold mit ihren Waffen auf die Flüchtenden warten. Der 18- und der 17-Jährige haben das Massaker an der Columbine-High-School in Littleton im US-Bundesstaat Colorado monatelang vorbereitet. Doch als die beiden am 20. April 1999 - dem 110. Geburtstag von Adolf Hitler - den Plan umsetzen wollen, gehen die Bomben nicht hoch. Diese sind offenbar falsch konstruiert. Daraufhin betreten die beiden ihre Schule und beginnen, um sich zu schießen. Sie marschieren durch die Cafeteria, wo Schüler zu Mittag essen, und dann weiter zur Bibliothek. Dort töten sie die meisten Opfer. Dazu gehören vor allem Schwarze, Sportler, Hispanics und Behinderte. Da eine Lehrerin die Notrufnummer wählt, wird das Geschehen in der Bibliothek aufgezeichnet: "Dadurch sind 26 Minuten dieser Schießerei und auch alle Dialoge, die die beiden Attentäter mit Schülern und Lehrern geführt haben, überliefert", sagt Autor Joachim Gaertner, der über diesen Amoklauf einen dokumentarischen Roman geschrieben hat.
Gaertner hat persönliche Dokumente der Attentäter gesichtet: Tagebücher, Kalendereinträge, Hassvideos, Einkaufslisten von Waffen und Bombenbestandteilen. "Es gibt Hass-Listen von Eric Harris, wo er sagt: Ich hasse alle Lügner. Und ich weiß genau, ich bin selber einer." Eric wird Gaertner in Gesprächen als Psychopath beschrieben: "Jemand, der sich überhaupt nicht in andere Menschen hineindenken kann und auch kein Mitleid spürt, während Dylan eher der depressive, der selbstmordgefährdete Typ war." Schulaufsätze der beiden geben Einblick in ihr Denken. Dylan schreibt: "Drei Schüsse trafen den größten der Streber in den Kopf. Die Blutspritzer regneten auf die Kumpel des Strebers nieder, die zu gelähmt waren, um wegzulaufen." Eric, der als Sohn eines US-Airforce-Offiziers oft umziehen musste, bedauert in einem Aufsatz den Verlust von Freunden: "Jedes Mal, wenn ich einen Freund verlor, machte ich die schlimmsten Tage meines Lebens durch." Aber eine eindeutige Erklärung für den Amoklauf findet Gaertner nicht: "Am Ende sind für mich mehr Fragen als Antworten geblieben, weil vieles eben nicht explizit rekonstruierbar war, gerade was Kindheitserinnerungen betrifft."
"Columbine wurde zum Vorbild für die meisten Schulattentate der letzten zehn Jahre", sagt Gaertner. Es sei neu gewesen, dass sich Eric und Dylan mit ihrer Gewalt als eine Art Popstars inszeniert hätten. Offenbar hätten sich die beiden gegenseitig angestachelt und immer weiter in eine Phantasie-Welt aus Hass, Gewalt und Rache hineingesteigert. "Bis zu dem Punkt, wo sie offensichtlich nicht mehr anders konnten, als diese Phantasien auch in die Tat umzusetzen." Es dauert nur ein paar Minuten, dann haben Eric und Dylan zwölf Schüler und einen Lehrer getötet. Anschließend laufen sie noch rund 40 Minuten durch die Schule, ohne noch einmal zu schießen. "Was genau mit ihnen passiert ist, weiß natürlich niemand", so Gaertner. "Irgendwann sind sie dann in die Bibliothek zurück und haben sich selbst erschossen."
Stand: 20.04.09