Stichtag

02. Mai 2009 - Vor 140 Jahren: Das Folies-Bergère eröffnet

Das 19. Jahrhundert ist das Jahrhundert von Paris. Nicht nur mit prächtigen Boulevards und Avenuen mausert sich die französische Metropole zur Hauptstadt der Moderne: Auch die "Folies" genannten Vergnügungsstätten mit ihrem Varietéprogramm und ihren leicht bekleideten Damen geben Paris ein etwas anrüchiges, urbanes Flair.Am 2. Mai 1869 eröffnet an der Kreuzung von vier Straßen im 9. Bezirk das "Folie Trévise": eine Mischung aus Kneipe, Konzertsaal, Theater und Freudenhaus. Benannt ist es nach einer der Straßen - bis der gleichnamige Herzog protestiert. Danach tauft sich das Etablissement nach der einzigen Straße ohne adeligen Familienhintergrund um: "Folies-Bergère", die tollen Schäferinnen.

Anfangs sind es weniger die Kabarett- und Gesangsdarbietungen auf der Bühne, die die Nachtschwärmer ins Folies-Bergère  locken. In den Wandelgängen sorgen vor allem Kokotten wie Cléo de Mérode, Liane de Pougy oder La Belle Otéro  für Furore. Erst später setzt das Folies-Bergère auf gepflegte Unterhaltung und spektakuläre, teils akrobatische Live-Acts, die vor prachtvoll gemalten Theaterkulissen stattfinden. Dazu gehört die Amerikanerin Loïe Fuller, die scheinbar federleicht mit kiloschweren Stoffbahnen hantiert, oder die Rennwagenfrau Mauricia Thiers, die sich in ihrem Automobil auf der Bühne überschlägt. Kurz vor der Jahrhundertwende schwenkt auch die erste Gruppe der berühmten Tänzerinnen des Folies-Bergère die Beine. Und 1911 stehen mit Stan Laurel, Charlie Chaplin und W.C. Fields  gleich drei Komikerheroen des 20. Jahrhunderts auf der Bühne.Nach dem 1. Weltkrieg übernimmt Paul Derval für 48 erfolgreiche Jahre die Leitung des Folies-Bergère. Er gibt der Vergnügungsstätte endgültig einen künstlerischen Anstrich. Unter ihm erhält das Haus auch seine berühmte, unter Denkmalschutz stehende Art-Déco-Fassade, die legendären Wandelgänge mit den Kokotten verschwinden. Obwohl inzwischen auch Berlin und Hollywood das Rezept gepflegt-frivoler Unterhaltung für sich entdecken, bleibt Paris dank Derval ungeschlagen - nicht zuletzt auch deshalb, weil er immer etwas schneller als die ausländische Konkurrenz internationale Stars wie Joséphine Baker auf die Bühne holt.

Als Derval 1966 stirbt, hat das Folies-Bergère rund 400 Angestellte. Danach allerdings ergeht sich das Etablissement in Selbstzitaten. Sein Stern sinkt unaufhaltsam, Rettungsversuche scheitern. "Fous des Folies" ("Verrückt nach den Folies") wird 1993 die letzte Revue des Hauses. Seit 15 Jahren laufen in den Räumen Musicals und Operetten, tagen Frisöre und Gesangslehrer, feiern Betriebsräte oder betuchte Privatiers.

Stand: 02.05.09