"Ein Gastwirt hat 18 Kammern. In jeder Kammer stehen sechs Betten. In jedem Bett liegen drei Gäste. Und jeder Gast gibt am nächsten Morgen zwei Gulden Trinkgeld. Wie viel Trinkgeld bekommt der Gastwirt?" Diese Rechenaufgabe gibt nicht nur Einblick in den Alltag der Gastronomie der Lutherzeit. Sie ist auch eine der ersten lebensnahen Textaufgaben, wie sie Mathematikschüler noch heute in Lehrbüchern finden. Sie stammt aus einem mathematischen Rezeptbuch von 1522. "Ich hab ein gemein leicht Büchlein zusamen gelesen fuer junge anhebende Schüler ... mit anhangenden schönen Regeln und Exempeln", schreibt der Autor. Er heißt Adam Ries.
Als das Buch erscheint, ist die Rechenkunst in Deutschland nicht weit verbreitet. Selbst die Grundrechenarten beherrscht der Normalbürger nicht. Umherreisende Rechenmeister lösen die Kalkulationsprobleme ihrer Kunden, indem sie auf Rechentischen oder -tüchern die Lösung vorführen - meist mit Strichen für Tausender, Hunderter, Zehner und Einer. Adam Ries' Buch lehrt dagegen die Kunst des schriftlichen Rechnens für Jedermann. Der aufkommende Buchdruck verbreitet diese Kunst. Ries' Buch wird 108 Mal neu aufgelegt. Der Autor geht dadurch in den Volksmund ein, allerdings mit einer ehrenden Veränderung seines Nachnamens: "nach Adam Riese".
Adam Ries wird wahrscheinlich 1492 in Staffelstein in Franken geboren. Seine Popularität gewinnt er auch dadurch, dass er seine didaktisch klug aufgebauten Bücher auf Deutsch schreibt, während Lehrwerke meist noch auf Latein erscheinen. Aber auch in der Oberschicht macht Ries Karriere und wird schließlich kurfürstlicher Hofarithmetikus. Er stirbt am 30. März 1559 in Annaberg im Erzgebirge.
Stand: 30.03.09