1824 stehen in den USA Präsidentschaftswahlen an. In Harrisburg, der Hauptstadt des Bundesstaates Pennsylvania, leben damals knapp 3.000 Einwohner. Ein knappes halbes Jahr vor der Wahl fragt die Lokalzeitung " The Harrisburg Pennsylvanian " ihre Leser: Wer wird nächster US-Präsident? Die Antwort, die am 24. Juli 1824 veröffentlicht wird, ist eindeutig. Kandidat Andrew Jackson liegt bei den insgesamt 532 Lesern, die sich an der Umfrage beteiligt haben, mit 70 Prozent in Führung. Die drei Mitbewerber sind weit abgeschlagen.Die Probeabstimmung sei "ohne Benachteiligung der Kandidaten" und "ohne Bearbeitung der Ergebnisse" erfolgt, schreibt die Zeitung. Bei den Wahlen erreicht Jackson tatsächlich einen Vorsprung von fast 70.000 Wählerstimmen. "The Harrisburg Pennsylvanian" scheint also richtig gelegen zu haben. Aber mehr Wahlstimmen heißt in den USA nicht auch mehr Wahlmänner, kein Kandidat erreicht die absolute Mehrheit. Schließlich wählt das Repräsentantenhaus John Adams zum Staatsoberhaupt. Die erste politische Meinungsumfrage geht als Flopp in die Geschichte ein.
In ihren Anfängen ist die Wahlforschung unwissenschaftlich, unausgewogen und nicht repräsentativ. Mittlerweile wird sie systematisch betrieben: "Das A und O ist Statistik", sagt Reinhard Schlinkert, einer der Gründer des Umfrageinstituts Infratest dimap. Repräsentativ ist eine Umfrage, wenn die Befragten so ausgewählt werden, dass sie die gesamte Bevölkerung wiedergeben - eine Rechenaufgabe, bei der Stichproben und Wahrscheinlichkeiten ein Rolle spielen. "Dafür muss man einmal Mathematik verstehen", so Schlinkert. Zudem müsse man auch Spaß daran haben, "aus ganz, ganz vielen Zahleninformationen die richtigen Informationen rauszufinden."
77 Prozent der Bürger, so hat Infratest dimap ermittelt, halten die Befunde von Umfragen "im Großen und Ganzen für vertrauenswürdig". 89 Prozent der Befragten glauben sich so ein Bild machen zu können, wie die Bevölkerung zu verschiedenen Themen steht. "Natürlich sind Meinungsumfragen für die, die Politik machen, ein ganz wichtiges Instrument der Selbstvergewisserung und manchmal der Positionierung", sagt Jörg Schönenborn, Chefredakteur des WDR Fernsehens, der monatlich in der ARD den Deutschlandtrend präsentiert. Allerdings gebe es - wie beim Journalismus - auch bei Meinungsumfragen keine Objektivität: "In der Auswahl des Themas, in der Formulierung der Frage, in der Begrifflichkeit, in allem liegt ein Stück Subjektivität."
Stand: 24.07.09