Stichtag

22. Juli 2009 - Vor 10 Jahren: Falun Gong wird in China verboten

Anfang der 80er Jahre verfallen in kurzer Zeit immer mehr Chinesen dem Qi-Gong-Fieber. Um Körper und Geist zu kultivieren, führen sie, meist an öffentlichen Plätzen, in schnell anwachsenden Gruppen Atem-, Meditations- und Bewegungsübungen aus. Die Meister dieser traditionellen Übungen werden bald wie Popstars verehrt und renommierte Wissenschaftler widmen sich der Erforschung des Qi (sprich "tchi"), der allumfassenden Energie sowohl des Individuums wie der gesamten Welt. Chinas kommunistische Führung unterstützt diesen zunächst völlig unpolitischen Boom nach Kräften. 1992, als der Höhepunkt der Qi-Gong-Welle erreicht ist, taucht aus dem Nichts ein neuer Chi-Meister auf: Li Honghzi. Er propagiert eine von ihm selbst entwickelte, angeblich auf höherem Niveau angesiedelte Form des Qi Gong, die er Falun Gong nennt (Falun = Rad des Gesetzes, Gong = Arbeit, Vervollkommnung). Zu seinen Anhängern gehören Bauern und Parteikader ebenso wie Arbeiter und Professoren.

Die Zahl der Chinesen, die zu dieser Zeit Qi Gong und Falun Gong betreiben, schätzt der Ostasienwissenschaftler Thomas Heberer von der Universität Essen-Duisburg auf mehrere hundert Millionen. So wächst die Skepsis der kommunistischen Machthaber gegenüber der kaum noch steuerbaren spirituellen Massenbewegung. Spätestens von 1996 an mehren sich in den staatlichen Medien kritische Artikel und Sendungen zum Qi-Gong-Boom im Allgemeinen und besonders zur Falun-Gong-bewegung, die unter Li Honghzis Führung zunehmend auch weltanschauliche Ideen entwickelt. Am 25. April 1999 werden die Befürchtungen der chinesischen Regierung wahr: Aus heiterem Himmel, ohne erkennbare Vorzeichen, versammeln sich plötzlich rund 13.000 Falun-Gong-Anhänger auf Pekings Platz des Himmlischen Friedens, um friedlich und schweigsam die Freilassung einiger verhafteter Mitglieder zu fordern. Eiligst zusammengetrommelte Polizeikräfte können nicht verhindern, dass die Demonstranten den Eingang des staatlichen Fernsehsenders besetzen. Die Antwort der geschockten Regierung lässt nicht lange auf sich warten: Am 22. Juli 1999 wird Falun-Gong verboten.

Mit dem Verbot setzt umgehend die bis in die Gegenwart andauernde, brachiale Verfolgung der Anhänger von Falun Gong ein. Dies hat nach Beobachtung des Ostasienexperten Heberer eine massive Politisierung der Gemeinschaft zur Folge. Trotz drakonischer Strafmaßnahmen kommt es immer wieder zu Demonstrationen der inzwischen stramm antikommunistischen Falun-Gong-Aktivisten. Im Januar 2001 rückt die Selbstverbrennung von fünf Menschen auf dem Tiananmen-Platz den Kampf von Falun Gong gegen das kommunistische Regime in den Fokus der Weltöffentlichkeit. Falun-Gong-Gründer und Übervater Li Honghzi erlebt die Verfolgung seiner Anhänger da schon lange aus sicherer Entfernung. Bereits 1995 hat er China verlassen und sich zunächst in Texas, später in New York niedergelassen. Die von China verlangte Auslieferung des zum Ehrenbürger von Houston ernannten Falun-Gong-Gründers wird von der USA abgelehnt. Unbekannt ist, woher der stets im Hintergrund agierende Li Honghzi die Mittel erhält, um einen eigenen Falun-Gong-Fernsehsender zu betreiben und diverse Zeitschriften herausgeben zu können.

Stand: 22.07.09