Stichtag

11. Januar 2009 - Vor 30 Jahren: Die Volksrepublik Kambodscha wird ausgerufen

"Ich bin zu jung, um alles zu verstehen. Ich weiß nicht, warum Pol Pot getan hat, was er getan hat", schreibt Loung Ung in ihrem Buch "Der weite Weg der Hoffnung" im Rückblick aus ihrer Perspektive als neunjähriges Mädchen. "Ich weiß nicht, warum er uns gezwungen hat, die Hauptstadt zu verlassen, warum er uns so wenig zu essen gegeben hat, warum er Papa umbringen ließ und danach Mama und meine Schwester." Im Januar 1979 hat Loung Ung vier Jahre Flucht innerhalb von Kambodscha hinter sich. Zuerst ist sie mit der ganzen Familie von Dorf zu Dorf unterwegs, dann sind nur noch ein Bruder und eine Schwester am Leben. Sie sind 1975 aus Phnom Penh vertrieben worden, als Pol Pot und seine Anhänger, die Roten Khmer, die Hauptstadt eroberten. Deren Ziel: In Kambodscha sollen nur noch Bauern leben und eine Gesellschaft vollkommener Gleichheit bilden. Frauen und Männer müssen die gleiche Kleidung und die gleichen Frisuren tragen. Niemand darf in Städten wohnen. Intellektuelle werden verfolgt. Die Roten Khmer töten rund zwei Millionen Kambodschaner, ein Viertel der Bevölkerung. Die meisten Toten verscharren sie auf Feldern - die "Killing Fields " werden zum Symbol für die Brutalität der Diktatur.

Kambodscha ist immer wieder Spielball in- und ausländischer Machtpolitik gewesen. 1863 wird das Land zu einem Protektorat Frankreichs und damit französischer Kolonialverwaltung unterstellt. 1941 installiert Frankreich den 19-jährigen Norodom Sihanouk als König. Kurz darauf wird Kambodscha von Japan besetzt. Als die japanische Regierung am Ende des Zweiten Weltkriegs kapituliert, geht Kambodscha wieder an Frankreich zurück. 1953 führt Sihanouk Kambodscha aus der Kolonialherrschaft und versucht als Staatschef, neutral zu bleiben. Das Land gilt damals als die Schweiz Asiens und Sihanouk wird von der Landbevölkerung als eine Art Gottkönig verehrt. Ende der 1960er Jahre wird die Lage in Südostasien instabil, die USA führen Krieg in Vietnam. Da der Versorgungsweg der kommunistischen Nordvietnamesen nach Südvietnam, der sogenannte Ho-Tschi-Minh-Pfad, durch Kambodscha verläuft, werden auch hier weite Teile dieses Landes durch Bombardements zerstört. US-Außenminister Henry Kissinger bezeichnet damals Kambodscha als "Side Show " ("Nebenbühne").

In dieser Situation erstarkt eine kommunistische Rebellengruppe: die Roten Khmer. Pol Pot, der eigentlich Saloth Sar heißt, will Kambodscha vollkommen neu organisieren - nach dem Vorbild von Maos Kulturrevolution in China. Doch seine Truppen wüten nicht nur in Kambodscha, sondern greifen auch das Nachbarland Vietnam an, das noch vom 1975 siegreich beendeten Krieg gegen die USA gezeichnet ist. Zur Jahreswende 1978/1979 wehrt sich Vietnam und marschiert in Kambodscha ein. Am 11. Januar 1979 ruft die neue Regierung die Volksrepublik Kambodscha aus. Die Roten Khmer ziehen sich in den Dschungel zurück. Auch Pol Pot bleibt dort weitgehend unbehelligt. Er stirbt 1998 eines natürlichen Todes. Lange sind die Verbrechen der Roten Khmer in Kambodscha ein Tabu. 30 Jahre nach Ende der Diktatur soll nun ein Tribunal in Phnom Penh die damaligen Vorkommnisse untersuchen und die noch lebenden Täter vor Gericht stellen.

Stand: 11.01.09