Stichtag

13. August 2009 - Vor 100 Jahren: Werner Otto wird geboren

Vom Schuhgeschäft hat Werner Otto keine Ahnung. Trotzdem macht sich der Kriegsflüchtling mit einem Stück Speck und ein paar Reichsmark in der Tasche auf den Weg in den Norden Deutschlands, um dort 1948 eine Schuhfabrik aufzubauen. Leder sei dort vorhanden, hatte er gehört, Schuhe aber seien Mangelware. "Die Schuhe waren schlecht, wir nannten sie Gurken", wird er sich in seiner Autobiografie später an die eigene Produktion erinnern: "Sie wurden uns trotzdem aus den Händen gerissen."

Geboren wird Otto am 13. August 1909 im brandenburgischen Seelow. Weil er Flugblätter für den wegen sozialrevolutionärer Ideen in Ungnade gefallenen Nationalsozialisten Otto Strasser verteilt, muss er 1934 für zwei Jahre ins Gefängnis. Danach übernimmt der gelernte Einzelhandelskaufmann einen Zigarrenladen in Berlin. Nach dem Zweiten Weltkrieg, an dessen Ende er sich an der Front noch hatte "bewähren" müssen, konzentriert sich Werner Otto zunächst aufs Schuhwerk. Aber die Konkurrenz wird stärker, gegen die bessere Ware haben seine "Gurken" keine Chance mehr. Da bringt ihn der Katalog zweier Schuhhäuser auf die Idee, als Zwischenhändler zu fungieren. 1949 gründet Otto mit vier Mitarbeitern und 6.000 Mark Startkapital sein Versandhaus. Sein erster Katalog hat 14 Seiten, die Preise werden per Hand neben die eingeklebten Fotos geschrieben. Erfolgreich sind Ottos Hosen, die aus alten Wehrmachtsuniformen geschneidert sind.Besonders beliebt wird sein Einfall, Kunden, die Sammelbestellungen organisieren, fünf Prozent Rabatt zu gewähren. So kann sich der Otto Versand Hamburg in die Epoche des Wirtschaftswunders hinüberretten - auch wenn es einige Pannen gibt: Bei der Bedienung der modernen Lochkarten-Versandsysteme passieren bei der Eingabe der Bestellungen ab und an Fehler, so dass einer Kundin auch schon einmal im Zweitagesabstand Teppiche geliefert werden, obwohl sie nur einen haben wollte. Zudem verkaufen betrügerische Händler dem Unternehmen billiges Tuch für kostbaren Zwirn.

In den ersten 14 Jahren entlässt Otto sieben Marketingchefs. Dann findet er einen Werbefachmann nach seinem Geschmack, der zwei Jahrzehnte bleiben darf. Mit dem 1985 kreierten Spruch "Otto? Find' ich gut" und bekannten Fotomodellen wie Eva Padberg oder Heidi Klumm auf dem Cover erobert sich der Otto-Katalog einen festen Platz in deutschen Wohnstuben. Heute macht Otto rund zwölf Milliarden Euro Umsatz im Jahr und hat 55.000 Mitarbeitern auf drei Kontinenten. Dank der frühen Globalisierungsstrategie seines Gründers ist das Unternehmen der größte Versandhändler der Welt. 1981 zieht sich Werner Otto aus seiner Firma zurück, sein Sohn Michael übernimmt die Leitung.

Stand: 13.08.09