Stichtag

24. Mai 2009 - Vor 110 Jahren: Tennis-Star Suzanne Lenglen wird geboren

Der erste weibliche Weltstar des Tennis ist ein wandelnder Skandal. Häufig kommt die Französin im offenen Pelzmantel auf den Court, ihre Röcke bedecken gerade mal das Knie und in den Spielpausen trinkt sie gerne einen Brandy mit Wasser. Suzanne Lenglen, am 24. Mai 1899 in Compiegne geboren, hat Affären mit Millionenerben und Doppel-Partnern und lässt ihre Garderobe von Modeschöpfer Jean Patou entwerfen. Doch die vom Dichter Claude Anet zur "Göttlichen" erhobene Sportlerin ist nicht nur "femme fatale", sondern in den 20er Jahren die aufregendste und - bis heute - eine der besten Spielerinnen aller Zeiten. Von 1919 an gewinnt Suzanne Lenglen insgesamt 81 Einzel-Titel, 73 Titel im Doppel und acht im Mixed. Sechs Mal geht sie in Wimbledon als Gewinnerin der Einzelkonkurrenz vom Platz und holt 1920 die olympischen Goldmedaillen im Einzel und Mixed.

Wo immer Suzanne Lenglen aufschlägt, drängen sich ihre Bewunderer, Männer wie Frauen, auf den Tribünen. In Wimbledon übernachten die Zuschauer erstmals in der Turniergeschichte vor der Anlage, um einen Platz zu ergattern. 1922 muss das Stadion sogar erweitert werden, um die Massen unterzubringen. Lenglens Spielstil revolutioniert das Frauen-Tennis. Während ihre Konkurrentinnen, ganz züchtige Damen in knöchellangen Kostümen, den Ball lediglich von der Grundlinie über den Platz löffeln, springt die Französin mit gazellengleicher Eleganz immer wieder bis ans Netz vor und düpiert ihr Gegenüber mit nie zuvor gesehenen Volleys. "Ich pfeife auf die Würde und denke an nichts anderes als an das Spiel", hält sie entrüsteten Sittenwächtern entgegen. Suzanne Lenglens letzter großer Auftritt geht in die Sportgeschichte ein. Im Februar 1926 trifft die 26-Jährige im Finale von Cannes zum ersten und einzigen Mal auf die sieben Jahre jüngere Olympiasiegerin Helen Wills-Moody aus den USA, die im folgenden Jahrzehnt das Frauen-Tennis beherrscht.

Das Match auf dem Court des Hotels Carlton fordert beiden Spielerinnen alles ab. Vor 4.000 Zuschauern und Hunderten von Reportern gewinnt Suzanne Lenglen schließlich mit 6:3 und 8:6. Nach diesem "Spiel des Jahrhunderts", so das übereinstimmende Urteil der Weltpresse, bricht "die Göttliche" erneut ein Tabu, denn sie wechselt ins Profi-Lager. Doch diesen Schritt verzeihen ihr die Fans nicht, der Erfolg bleibt aus. Verbittert und erschöpft beendet die Lenglen ihre aktive Laufbahn und gründet in Paris eine Tennisschule. 1936 entsteht daraus das nationale Trainingszentrum des französischen Verbandes. Zwei Jahre später erkrankt Suzanne Lenglen an Leukämie. Am 2. Juli 1938 liegt sie in einem Pariser Krankenhaus auf dem Sterbebett. Völlig erblindet hört sie im Radio die Reportage vom achten Wimbledon-Sieg ihrer einstigen Konkurrentin Wills-Moody. Zwei Tage darauf erliegt Suzanne Lenglen mit nur 39 Jahren dem Blutkrebs. Bis heute trägt der Siegerpokal des Frauen-Turniers bei den French Open ihren Namen.

Stand: 24.05.09