Stichtag

09. September 2009 - Vor 25 Jahren: Yilmaz Güney stirbt in Paris

Yilmaz Güney überarbeitet 1980 das Skript zu seinem Film "Yol" ("Der Weg") - in einer Gefängniszelle. Dem türkischen Filmemacher wird der Mord an einem Richter angelastet. Bis heute ist nicht geklärt, wer den Richter wirklich erschossen hat. Die türkischen Militärs, die sich am 12. September 1980 erneut an die Macht geputscht haben, brauchen einen Vorwand, um Güney zum dritten Mal einzusperren. Die Dreharbeiten zu seinem Film laufen bereits und der Filmautor steht in engem Kontakt mit dem ihn vertretenden Regisseur und den Schauspielern. In den ersten Wochen der Militärregierung funktioniert die Überwachung noch nicht vollständig.

"'Yol' klagt zwei Dinge an", erklärt Güney später. "Die Unterdrückungsmaschinerie des Systems und, im Schatten der modernen Großstädte, die fragwürdigen Feudalstrukturen des Mittelalters in der ländlichen Türkei." In "Yol " erzählt er die Geschichte von fünf Männern, die im Hafturlaub ihre Familien besuchen. Doch der kurze Aufenthalt in der Freiheit wird zum Albtraum. Die Männer müssen sich archaischen Bräuchen unterwerfen. Einer von ihnen soll seine Frau richten, weil sie ihm während seiner Haft untreu geworden ist. Hin und her gerissen zwischen Liebe und dem familiären Druck führt er sie in die verschneiten Berge. Die erschöpfte Frau fleht ihn an, sie nicht den Wölfen auszuliefern."Wie wird man der, der man ist?", fragt sich Güney sein Leben lang. Er wird am 1. April 1937 in der südtürkischen Stadt Adana als Yilmaz Pütün  geboren. Seine Eltern sind mittellose türkische Kurden. Er arbeitet sich vom Schafhirten hoch zum Mitarbeiter eines Filmverleihs. Mit 20 Jahren gelingt ihm der Sprung zum Darsteller. Er spielt in zahlreichen Filmen die immer gleiche Rolle: den türkischen Robin Hood. Güney wird zum Volkshelden. Doch das reicht ihm nicht. Er will selbst Filme machen, Filme mit sozialkritischer Aussage: "Für mich ist Film ein Mittel zum Kampf", so sein Credo. "Ein Mittel, die Leute auf Demokratie und Revolution vorzubereiten." Unter anderem dreht er 1970 "Umut" ("Hoffnung"). Später folgen die Filme, die Güney vom Gefängnis aus realisiert: "Sürü" ("Die Herde", 1978), "Düsman" ("Der Feind", 1979) und "Yol ".

1981 entschließt sich Güney, während eines Hafturlaubs seine geliebte Türkei zu verlassen. Sein Produzent Keusch hilft ihm dabei. Sie versuchen die Flucht als Schauplatz-Suche für einen neuen Film zu tarnen. Im Golf von Antalya gelingt es ihnen, das Festland mit einem Boot zu verlassen. Güney und seine Familie erhalten Asyl in Frankreich. Dort schneidet er seinen Film "Yol", der im März 1982 in Cannes die "Goldene Palme" gewinnt. Nur unter größten Sicherheitsvorkehrungen kann der populäre Filmemacher an der Preisverleihung teilnehmen. Seine Verfolger, Agenten des türkischen Geheimdienstes, sind ihm dicht auf den Fersen. Güney wechselt immer wieder seinen Aufenthaltsort: "Das gehört zu meinem Leben, das dem Kampf gegen die Faschisten gewidmet ist, die mein Land beherrschen." Im französischen Exil dreht er seinen letzten Film: "Duvar" ("Die Mauer"). Sein Gesundheitszustand verschlechtert sich. Sein Magenkrebs schwächt ihn. Am 9. September 1984 stirbt Güney mit 47 Jahren in Paris.

Stand: 09.09.09