Stichtag

23. Juni 2009 - Vor 115 Jahren: Internationales Olympisches Komitee gegründet

Der französische Baron und Pädagoge Pierre de Coubertin  ist überzeugt: Der faire Wettkampf der Besten ist völkerverbindend. Dank seiner Initiative endet ein Sportkongress am 23. Juni 1894 in Paris mit der Gründung des Internationalen Olympischen Komitees ( IOC). Dessen Leitmotiv lautet: "Citius, altius, fortius " ("Schneller, höher, stärker"). Die 13 Gründungsmitglieder aus unterschiedlichen Nationen werben weltweit für die ersten Spiele der Neuzeit. Zwei Jahre später ist es soweit: 1896 kämpfen in Athen rund 300 Athleten aus 14 Ländern um die Siege.

Coubertins Projekt hat ursprünglich mit dem antiken griechischen Vorbild nichts zu tun, sondern entspringt der aktuellen Politik. "Nach dem Desaster des deutsch-französischen Krieges und der Depression in Frankreich hatte Coubertin den Auftrag des französischen Staates, ein Bildungsprogramm zu entwerfen zur Wiederbelebung des französischen Selbstbewusstseins", erklärt Sportsoziologe Sven Güldenpfennig. Deshalb stößt das Konzept in Deutschland zunächst auf Widerstand. Erst kurz vor Beginn der ersten Spiele geben die Deutschen ihre Blockade auf und erhalten einen Sitz im IOC. Das ist durchaus im Sinn Coubertins, denn gerade verfeindete Nationen sollen über den Sport wieder zueinander finden: "Von den Völkern zu verlangen, sich gegenseitig zu lieben, ist nichts anderes als eine Kinderei. Von ihnen zu verlangen, sich zu achten, ist keineswegs eine Utopie."

Olympische Spiele als Demonstration des Respekts, als Zeichen gegen Diskriminierung und Rassismus - ein Anspruch, dem das IOC in seiner Geschichte nicht immer gerecht wird, sagen Kritiker. Die Nationalsozialisten missbrauchen 1936 als erste die Olympischen Spiele für ihre Propaganda. Das IOC schaut machtlos zu. Es glaubt stets an die politische Unabhängigkeit der Spiele. Selbst nach dem Terrormassaker an der israelischen Olympiamannschaft 1972 in München fordert IOC-Präsident Avery Brundage: "The Games must go on " ("Die Spiele müssen weitergehen"). Auch die Vergabe der Austragungsorte sorgt immer wieder für Debatten - so Moskau 1980, Seoul 1988 und Peking 2008. Dem IOC wird vorgeworfen, undemokratisch besetzt zu sein. Die 115 IOC-Funktionäre rekrutieren sich heute noch genauso wie die Gründungsmitglieder im 19. Jahrhundert: Nicht durch Wahl, sondern durch Berufung aus den eigenen Reihen. Für Güldenpfennig ist das allerdings eine gute Lösung: "Ich halte dieses Konzept für die Lebensader der olympischen Bewegung." Sobald nationale Interessen die IOC-Politik bestimmen könnten, wäre jede dauerhafte Arbeit blockiert, so Güldenpfennig. Er sieht das Problem des IOC nicht in seiner politischen Positionierung oder in der Kommerzialisierung der Spiele, sondern im Doping. "Dieses Problem ist seitens des IOC in wirklich gravierender Form vernachlässigt worden."

Stand: 23.06.09