Stichtag

08. September 2008 - Vor 125 Jahren: Die "Northern Pacific Railroad" wird eröffnet

Henry Villard ist ein umtriebiger Journalist und risikobereiter Geschäftsmann. Der Einwanderer aus Deutschland, der eigentlich Heinrich Hilgard heißt, betreibt 1880 eine Bahngesellschaft, die wesentlich kleiner ist, als ihr Name vermuten lässt: die "Oregon Transcontinental". Aber Villard hat großes vor: Er steckt nicht nur sein eigenes Vermögen in Aktien des großen Konkurrenten "Northern Pacific Railroad", er sammelt auch ein Millionenkapital, obwohl er den Anlegern den Zweck der sogenannten "Blindanleihe" nicht verrät. So gelingt ihm schließlich eine der größten feindlichen Übernahmen in der Geschichte der Wall Street: Die kleine Oregon-Eisenbahn schluckt die große Pacific-Railroad.

Villards Plan: Innerhalb von zwei Jahren will er die über 2.000 Meilen lange Strecke von den großen Seen bis zur Pazifik-Küste fertig bauen, die seit 1866 geplant wird. Seit damals gibt es schon die Südroute. Die neue Bahn soll den Wilden Westen der Prärien und der Rocky Mountains erschließen. Dafür schuftet für Villards Gesellschaft nun ein Heer von Arbeitern, darunter tausende Chinesen. Viele sterben an Krankheiten und bei Unfällen. Oft muss Militär die Bautrupps bewachen - denn die Indianer lassen sich ihr Land nicht immer widerstandslos enteignen.

Villards Unternehmen verschlingt Unsummen - und gelingt. Am 8. September 1883 feiert Villard die Eröffnung seiner Strecke am Gold Creek in Montana. Er sitzt auf einer geschmückten Dampflok. Unter den geladenen Gästen ist auch Georg Siemens, der Chef der Deutschen Bank, die in die Strecke investiert hat. Siemens ist begeistert vom Wilden Westen. Die Indianer sieht er allerdings als "elende, hässliche und schmutzige Geschöpfe". Ihre Tänze bei Villards Feier beeindrucken ihn trotzdem.Die Eröffnung überdeckt allerdings, dass Villard sich finanziell übernommen hat. Schon wenige Tage später bricht der Börsenkurs der " Northern Pacific" ein. Villard muss vor seinen Gläubigern nach Deutschland fliehen, wo ihn wiederum die Deutsche Bank stützt. Sie ermöglicht ihm die Rückkehr in die USA und an die Spitze seiner alten Firma. Die geht 1893 dennoch erneut pleite. Der Wilde Westen entwickelt sich langsamer als erhofft. Erst kurz vor der Jahrhundertwende wird die Strecke rentabel.

Stand: 08.09.08