Stichtag

30. Oktober 2008 - Vor 120 Jahren: Vorläufer des Kugelschreibers patentiert

Schreiben ist eine klecksende und barbarische Angelegenheit. Jahrhunderte lang müssen Beamte, Dichter und Kopisten die Federkiele gerupfter Gänse ins tropfende Tintenfass tunken. Bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts benötigt man in Deutschland Schätzungen zufolge bis zu 50 Millionen Federkiele jährlich. Um den Bedarf zu stillen, wird eigens zum Zweck des Schreibens Federvieh gezüchtet. Die Erfindung der Stahlfeder und später des Füllers macht Schreiben zwar tierfreundlicher. Klecksend aber bleibt es weiterhin.

Der US-Amerikaner John J. Loud ändert dies eher unfreiwillig. Am 30. Oktober 1888 lässt er in Massachusetts einen Tintenschreiber mit drehbarer Stahlkugel patentieren, der als ein Vorläufer des heutigen Kugelschreibers gilt. Louds Erfindung aber ist eigentlich gar kein Schreibgerät, sondern ein Markierungsstift für Leder und Textilien. In Produktion geht er nie. Sein Modell krankt daran, dass es weiterhin auf Tinte setzt, die mit einem Wasseranteil von 80 Prozent viel zu flüssig ist, um sie mit einer Kugel aufs Papier zu bringen. Den ersten funktionstüchtigen Kuli erfinden die beiden ungarischen Brüder László und György Biró 1938. Unter Lászlós Federführung entwickeln sie ein schnelles Schreibgerät, dessen Tintentank durch eine bewegliche, von innen benetzte Kugel verschlossen ist - mitsamt einer Tintenpaste, die sich an die Kugel schmiegt.

1938 müssen die Birós vor den Nationalsozialisten über Frankreich nach Argentinien fliehen. Fünf Jahre später lassen sie sich ihre Idee patentieren und verkaufen die Herstellungsrechte an den britischen Kaufmann Henry Martin. Dieser baut die erste Kugelschreiberfabrik und stattet die Royal Air Force mit Kulis aus. In den USA bringt die amerikanische Firma Reynolds fast zur gleichen Zeit einen eigenen Kugelschreiber auf den Markt. Sie beruft sich auf Louds Patent und beschuldigt die Birós des Plagiats.Die eigentliche Erfolgsgeschichte des Kugelschreibers beginnt kurz nach dem 2. Weltkrieg. Als das New Yorker Kaufhaus Gimbel im Oktober 1945 eine Variante mit versenkbarer Kugel ins Sortiment nimmt, sind am ersten Tag schon 10.000 Exemplare verkauft.

Stand: 30.10.08