Stichtag

23. Januar 2008 - Vor 80 Jahren: Piscators "Soldat Schwejk" uraufgeführt

Vor dem 1. Weltkrieg hat der brave Soldat Josef Schwejk keine Angst. Warum auch? Schließlich hat sein Oberst immer gesagt, dass "der ganze Feldzug nur ein Spaziergang auf dem Wenzelsplatz in Prag" sei. Jetzt hat Schwejk nur noch Sorge, dass der Krieg pünktlich losgeht, damit er auch pünktlich zu Ende ist. Überhaupt will Schwejk nicht zu spät kommen zur Verabredung mit seinem Zechkumpanen Woditschka im Gasthaus "Zum Krug". Und da steht der Termin schon fest: "Nach dem Krieg um sechs."

Die Verabredung zum Saufgelage ist eine der berühmtesten Passagen aus Jaroslav Hašeks unvollendet gebliebenem Antikriegsroman "Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk", in dem der Titelheld "als behördlich anerkannter Idiot" die Mechanismen des Krieges und die Verlogenheit der österreichisch-ungarischen Donaumonarchie entlarvt - durch seine Naivität und seinen Befehlsgehorsam, aber auch mit einer gehörigen Portion Dreistigkeit. Von seinem ebenfalls trinkfesten Autor Hašek, der nach der Fahnenflucht den Krieg in einer Tarnung als debiler Knecht überlebt, geht das Gerücht, dass er die Rechte am Theaterstoff des Buchs für ein Glas Pils an einen zwielichtigen Theaterdirektor verschachert habe. Wie dem auch sei: Weil ihn 1923 im Suff der Schlag trifft, kann er nicht mehr erleben, wie das Stück unter der Regie von Erwin Piscator fünf Jahre später am Berliner Theater am Nollendorfplatz Dramengeschichte schreibt.

Was Piscator vorschwebt, ist eine möglichst getreue Wiedergabe des Romans: "Die Aufgabe lautete, möglichst viele und möglichst einprägsame Episoden so aneinander zu reihen, dass sie ein totales Weltbild von Hašek ergaben." Mit Bertolt Brecht und anderen erarbeitet der Regisseur eine Fassung, die den Roman auf zweieinhalb Stunden kürzt. Um die ständigen Standortwechsel Schwejks ebenso wie seine langen Märsche auf der Suche nach seinem Regiment angemessen darstellen zu können, lässt Piscator zwei fünf Tonnen schwere Förderbänder auf der Bühne installieren. Die Schauspieler müssen mit hoch erhobener Stimme sprechen, um bei dem Krach der Laufbänder überhaupt hörbar zu sein. Filme mit echten Straßenszenen und Zeichentrickfiguren von George Grosz, die dem Zeichner später den Vorwurf der Gotteslästerung einbringen, runden die Aufführung ab. Am 23. Januar 1928 feiert das Stück "Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk" von Erwin Piscator in Berlin Premiere. Von einem künstlichen Ende, das Schwejk im Himmel zeigt, nimmt Piscator Abstand. Sein Theaterstück endet unvermittelt wie die Romanvorlage.

Stand: 23.01.08