Der Angeklagte Dr. Josef Issels ist den Deutschen Anfang der 60er Jahre bestens bekannt. Die Boulevardpresse schildert ihn als dubiosen Krebs-Arzt, der das Leben seiner Patienten gefährdet, während er ihnen mit faulen Versprechen das Geld aus der Tasche zieht. 1961, nach neun Monaten U-Haft, wird der Chefarzt und Inhaber der Ringberg-Klinik in Rottach-Egern tatsächlich wegen fahrlässiger Tötung zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Das Landgericht München kassiert jedoch das Urteil und lässt erneut gegen Issels verhandeln. Insgesamt 32 Sachverständige - Experten der Schulmedizin und Vertreter der so genannten Ganzheitstherapie - liefern sich in dem Prozess hitzige Gefechte um Issels These, Krebs sei als chronisches Leiden des gesamten Organismus anzusehen. Issels hat den Menschen deshalb immer als Ganzes im Blick und behandelt nicht nur das befallene Organ. Nach mehreren Wochen Prozessdauer wird der umstrittene Arzt in allen Punkten freigesprochen und völlig rehabilitiert.
Die ersten Krebspatienten behandelt Josef Issels, Jahrgang 1907, bereits 1948 in seiner Geburtsstadt Mönchengladbach. Als praktischer Arzt beginnt er, seine ganzheitlichen Behandlungen auch bei schwersten Tumorerkrankungen anzuwenden und erzielt damit zum Teil erstaunliche Erfolge. Viele Patienten erleben eine Besserung oder zumindest eine Linderung ihrer unerträglichen Schmerzen. Konventionelle Methoden wie Bestrahlungen, Chemotherapie und Operationen lehnt Issels nicht ab, doch er ergänzt sie unter anderem durch naturheilkundliche und homöopathische Heilverfahren. Schnell erwirbt sich der Provinzarzt weit über die Stadtgrenzen hinaus den Ruf eines Krebsspezialisten. Seine von einem Mäzen finanzierte und 1951 eröffnete Ringberg-Klinik entwickelt sich zum Wallfahrtsort all jener, denen die Schulmedizin keine Hoffnung mehr geben kann. Empirische Überprüfungen seiner Therapien bleibt Issels allerdings schuldig, was seine Gegner aus der schulmedizinischen Fachwelt erfolgreich nutzen, um ihn als vermeintlichen Scharlatan und Beutelschneider vor Gericht zu bringen.
Die Anerkennung seiner Standeskollegen bleibt dem "Wunderdoktor vom Tegernsee" auch nach dem Freispruch erster Klasse versagt. Für Krebskranke in aller Welt aber, wie etwa Reggae-Star Bob Marley, verkörpert Josef Issels weiterhin die allerletzte Hoffnung - auch wenn er in den allermeisten Fällen nicht heilen, sondern nur lindern und den Lebenswillen seiner Patienten stärken kann. Einen wissenschaftlichen Beweis, warum seine Therapien wirken, bleibt Issels auch in späteren Jahren schuldig. Bis 1985 praktiziert der charismatische Arzt in Rottach-Egern und Bad Wiessee. Seine letzten Lebensjahre verbringt Josef Issels in den USA, zunächst in Florida und später in Kalifornien, wo er bis zu seinem Tod am 11. Februar 1998 als Berater einer Krebsklinik arbeitet.
Stand: 11.02.08