Stichtag

23. Dezember 2007 - Vor 10 Jahren: Bauunternehmer Jürgen Schneider wird verurteilt

Der gelernte Maurer versteht sein Handwerk: Anfang der 1990er Jahre gilt Jürgen Schneider als der Bauunternehmer in der Bundesrepublik. Seine Spezialität: Altbausanierung. Er kauft hochwertige Altbauten - meist in lukrativen Innenstadtlagen wie in Leipzig - und lässt sie teuer sanieren. Dafür nimmt er Kredite in Millionenhöhe auf. Um an Geld zu kommen, legt er den Banken falsche Angaben über vermietete Flächen vor. Er gibt Immobilien als Sicherheit an, die mit hohen Krediten belastet sind, und rechnet Traummieten für Objekte ab, die gar nicht existieren. Schneider sitzt in Königsstein in einem repräsentativen Anwesen und beeindruckt die Finanzwelt: "Wie der Hirsch das mit seinem Geweih macht, um zu imponieren - und das hat auch geklappt", sagt er später.

Schneider präsentiert den Banken sogar Verträge, die er vorher mit Tipp-Ex bearbeitet hat. Und die Kreditgeber glauben ihm. Auch die Deutsche Bank vertraut dem Blender. "Wir hatten keinen Verdacht", sagt Vorstandschef Hilmar Kopper. Erst am 7. April 1994, als Kopper einen Brief von Schneider erhält, geht ihm ein Licht auf. In diesem Brief erklärt der Bauunternehmer seine Zahlungsunfähigkeit. Nach Diktat seiner Zeilen ist er verreist. Zurück bleibt ein Schuldenberg von über fünf Milliarden Mark. Unter den 40 betroffenen Kreditinstituten hat die Deutsche Bank den größten Schaden. Bevor Schneider untergetaucht ist, hat er 245 Millionen Mark auf Schweizer Konten deponiert.

"Ich bin dabei erwischt worden, weil ich es zu doll getrieben habe", sagt Schneider später. Nicht nur die Banken schreiben hohe Summen ab. Die Handwerksbetriebe, die für Schneider gearbeitet haben, müssen einen Verlust von 50 Millionen Mark hinnehmen. Deutsche-Bank-Chef Kopper sagt zu dieser Zahl: "Wir reden hier eigentlich von Peanuts." Der Begriff wird zum Unwort des Jahres gekürt. Derweil hat Schneider sein Toupet abgelegt und liefert sich mit den Zielfahndern eine Verfolgungsjagd. Er wird angeblich überall gesehen: in London beim Geldabheben, in Kalkutta bei einer Notoperation, auf einer Farm in Feuerland und tot auf dem Friedhof. Erst ein Jahr später wird er im Mai 1995 in Miami festgenommen - vor einer Bank. Auslieferung, Anklage, Prozess - am 23. Dezember 1997 wird Jürgen Schneider vom Frankfurter Landgericht wegen Betrugs und Urkundenfälschung zu einer Haftstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Weil Schneider geständig ist und es die Banken ihm so einfach gemacht haben, bleiben die Richter mit ihrem Urteil ein Jahr unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Am 22. Dezember 1999 wird Schneider vorzeitig aus der Haft entlassen und die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt.

Stand: 23.12.07