Wie viel Altbundeskanzler Helmut Kohl auf die Waage bringt, ist allgemein unbekannt. "Mein Gewicht ist Staatsgeheimnis", verkündet der Koloss der deutschen Politik. Kohl kann sich das Schweigen leisten, normalsterbliche Dicke aber müssen ihr Gewicht nur allzu oft zu Markte tragen. "Dicke Menschen werden nicht verbeamtet", sagt Gisela Enders, die den Anti-Diät-Tag in Deutschland mitorganisiert, private Krankenversicherungen verweigern sich ihnen. Populäre Popsongs besingen ihre vermeintlichen Schwächen. Vor allem Frauen leiden unter den "überflüssigen Pfunden". Eine ganze Diätindustrie lebt von ihren Ängsten.
Irgendwann haben die Dicken die Diskriminierung und den gesellschaftlichen Zwang zum Fasten satt. In Großbritannien finden sich einige Frauen zusammen, die meinen, durch die Institution eines Gedenktags auf den falschen Schlankheitswahn aufmerksam machen zu müssen. Am 6. Mai 1992 begründen sie unter Federführung der Bestsellerautorin Mary Evans Young den Internationalen Anti-Diät-Tag. Bald darauf wird er auch in Kanada, Australien, Neuseeland, Norwegen, Südafrika, Russland und den USA begangen. Vier Jahre später erreicht die Idee das Land von Helmut Kohl. "Der Anti-Dät-Tag in Deutschland fand in einigen Städten statt, wo dicke Frauen mit Infoständen auf die Straße gegangen sind", sagt Enders. "Da muss man gar nicht mehr viel machen. Wenn zehn dicke Frauen an einem Stand stehen, dann ist das Ereignis genug."
Um was es am Anti-Diät-Tag geht, bringt Enders auf den Punkt: "Um den Respekt für dicke Menschen auf der einen Seite, aber auch medizinische und gesellschaftliche Fragen auf der anderen Seite". Denn in Zeiten der Fast-Food-Kultur werden schon die Kleinsten immer dicker. Nach Hochrechnungen von Ernährungswissenschaftlern sind bereits 10 Prozent der Kinder in Deutschland übergewichtig.
Stand: 06.05.07