Die bitterste Stunde der deutschen Länderspielgeschichte - in der Karriere von Sir Bobby Charlton ist sie die größte. Als im Londoner WM-Finale 1966 das berühmt-berüchtigte Wembley-Tor fällt (oder nicht), wird Englands Spielmacher mit dem schütteren Haarkranz Weltmeister und kurz darauf zu Europas Fußballer des Jahres gewählt. Zwei Jahre später gewinnt Manchester United mit seinem Kapitän Bobby Charlton gegen Benfica Lissabon als erste englische Mannschaft den Europapokal der Landesmeister; Charlton selbst schießt zwei Tore. Den lange ersehnten Titel hatte das am 11. Oktober 1937 geborene Idol des englischen Fußballs zehn Jahre zuvor schon einmal zum Greifen nah. Damals jedoch zerstörte eine Katastrophe alle Trophäen-Träume.
1958 steht die vom 20-jährigen Jung-Star Charlton angeführte Mannschaft von Manchester United kurz davor, Real Madrid als besten Verein Europas abzulösen. Am 6. Februar, auf dem Rückflug von einem Europacup-Spiel in Belgrad, muss die Maschine der ManU-Mannschaft in München zwischenlanden. Schneesturm setzt ein, doch der Pilot will starten. Beim dritten Versuch stürzt die Maschine über dem Flughafen Riem ab. 23 Passagiere kommen ums Leben, darunter acht Manchester-Profis. Bobby Charlton übersteht den Crash nahezu unverletzt. Unter den psychischen Folgen aber leidet der zuvor so glänzende Balltechniker und Spielgestalter noch lange. "Unverletzt war er davongekommen, aber er konnte nicht mehr lachen. Und wer nicht mehr lachen kann, kann nicht spielen", schreibt ein Sportjournalist über diese Krisen-Jahre.
Mit Unterstützung seines Entdeckers, Manchester-Coach Matt Busby, und einer von Freund und Gegner bewunderten Haltung findet der bescheidene Charlton zurück zum Spiel und zum Erfolg. Vier Jahre nach dem Wembley-WM-Triumph trifft er 1970 im Viertelfinale von Mexiko wieder auf Deutschland - eine Hitzeschlacht, die wie das Endspiel von Wembley Geschichte macht, die England aber mit 2:3 verliert. Als Rekord-Nationalspieler mit 106 Einsätzen beendet Bobby Charlton darauf seine Länderspiel-Laufbahn. 1972 hängt er auch das Trikot der "Roten Teufel" von Manchester United endgültig an den Nagel. Für seine Verdienste - insbesondere, dass er in 17 Profi-Jahren nur eine einzige Verwarnung (heute gelbe Karte) erhalten hat - wird der "Gentleman-Fußballer" zunächst zum Sir und 1994 schließlich in den Adelsstand erhoben. Zweifel an der Gültigkeit des Wembley-Tors sind für Sir Bobby Charlton, den fairsten Spieler seiner Zeit, aber auch mit inzwischen 70 Jahren völlig indiskutabel.
Stand: 11.10.07