Stichtag

19. Januar 2007 - Vor 50 Jahren: Bauindustrie führt 45-Stunden-Woche ein

Bei den Arbeitszeiten herrscht mittlerweile große Unübersichtlichkeit: Gleitzeit, Flexibilisierung, Arbeitszeitkonten - jede Branche hat ihr eigenes Modell. Während des Wirtschaftwunders in den 1950er Jahren herrscht dagegen noch Einheitlichkeit: Die Sechs-Tage-Woche mit 48 Stunden gilt für alle. Die Bundesrepublik ist im Aufbau-Fieber. Weil die Unternehmen wegen der guten Konjunktur sich keine Arbeitskämpfe leisten wollen, stimmen sie 1956 bei den Lohnverhandlungen einer Protokollnotiz zu, bis Oktober 1957 die Arbeitszeit zu verkürzen. Als die Arbeitgeber wieder davon abrücken, macht die Baugewerkschaft mobil. 70.000 Beschäftigte demonstrieren im September 1956 in Stuttgart für die Arbeitszeitverkürzung. Am 30. Oktober werden die Verhandlungen aufgenommen. Die Gespräche in Frankfurt am Main verlaufen zäh. Verhandlungsführer der Industriegewerkschaft Bau, Steine, Erden ist deren zweiter Vorsitzender Georg Leber, der spätere Verkehrs- und Verteidigungsminister.

Erst beim fünften Treffen gelingt am 19. Januar 1957 der Durchbruch. Die Arbeitszeit wird zum 1. April von 48 auf 45 Stunden verkürzt - bei vollem Lohnausgleich. Das entspricht einer Lohnerhöhung von 6,7 Prozent. Gleichzeitig wird der Lohn um sieben Pfennig pro Stunde angehoben. Vereinbart wird zudem eine Stufenregelung: Bis 1965 soll die Wochenarbeitszeit in vier Etappen auf 40 Stunden reduziert werden. "Dass war ein sehr schneller Schritt von 45 auf 40, so dass ich denke: Die Arbeitgeber hätten dem nicht zugestimmt, wenn es ihnen nicht gut gegangen wäre", sagt Ernst-Ludwig Laux, jahrelang Tarifexperte der Baugewerkschaft. Auf diese Weise wird innerhalb von acht Jahren für 1,6 Millionen Maurer, Maler, Klempner und Dachdecker die Arbeitszeit von 48 auf 40 Stunden reduziert.

Noch 1957 verabschieden sich auch andere Branchen von den 48 Stunden, unter anderem die Versicherungswirtschaft. "Mit diesem Schritt wurde die Fünf-Tage-Woche eingeläutet", sagt Tarifexperte Laux. Danach ist es mit der Vorreiterrolle der Bauwirtschaft allerdings vorbei. Die Zahl der Beschäftigten geht zurück und ein anderes bautypisches Thema tritt in den Vordergrund: Viel schuften im Sommer, arbeitslos im Winter. Ein ganzjährig stabiles Einkommen sei heute wichtiger als die Frage der Wochenstunden, meint Otto Kentzler. Der Lehrling von damals ist heute Präsident des Deutschen Handwerks und Chef eines Dachbau-Betriebs in Dortmund, wo man das Problem mit Hilfe von Arbeitszeitkonten löst.

Stand: 19.01.07