In der DDR ist niemand allein. Bis in die Zelle der Familie hinein will der Staatsorganismus wissen, was seine Bürger tun. In jedem Wohnhaus muss ein Mitglied der Hausgemeinschaft deshalb ein Hausbuch führen, in dem nicht nur alle Bewohner akribisch verzeichnet sind: Wer länger als zwei, drei Wochen zu Besuch kommt, muss sich melden. Bei Gästen vom Klassenfeind aus Westdeutschland besteht bereits bei drei Tagen Meldepflicht.
Damit auch alles seine Ordnung hat, beschließt der Ministerrat der DDR am 19. März 1952 Richtlinien für Haus und Vertrauensleute. Sie werden vom Kollektiv gewählt und sollen der Gemeinschaft den rechten Weg weisen. Fortan organisieren die Vertrauensleute für Haus und Straße den Sozialismus im Kleinen - und sorgen dafür, dass das Hausbuch korrekt geführt wird. Gemeinsam gehen die Bewohner zur Wahl, schmücken ihre Straßen bei Messen und Festen. Viele haben im Keller eigens ein kleines Versammlungslokal eingerichtet, in dem gemeinsame Theaterbesuche, Kinder-Diskos oder Wettbewerbe "für die beste Ausschmückung im Straßenzug" vorbereitet werden.
"Unterstes Gremium der Nationalen Front"
Die Hausgemeinschaft wird zum Ort des Engagements, der Kultur und Volksnähe, wie es das westdeutsche Bundesministerium des Innern 1985 in seinem "DDR-Handbuch" formuliert: "Mit ihrer Hilfe soll auch im Freizeitbereich jener Prozess der Herausbildung sozialistischer Denk- und Verhaltensweisen gefördert werden, den die Partei sonst vor allem im Arbeitsleben ständig zu imitieren sucht", heißt es dort. Hausgemeinschaften "sind die untersten Gremien der Nationalen Front, in denen staatliche und gesellschaftliche Aktivitäten unter Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands zusammenfließen".
Aber die Haus- und Straßengemeinschaften sollen noch mehr. Vor allem dienen sie auch der Organisation des eigenen Lebensbereichs und der "Selbstverpflichtung" für seine Instandhaltung. Über den Zustand der einzelnen Häuser oder der Parkanalagen bestimmt buchstäblich die Macht der Straße. Wo Mittel fehlen, helfen bisweilen Eingaben an die Partei. Im Keller der Mietskasernen werden vor allem auch Briefe geschrieben: "an die Staatsmacht, dass das Dach gemacht wurde, das der Keller gemacht wurde, die Abflüsse, die Türen", erinnert sich ein DDR-Bürger zur Zeit der Wende. "Wir haben einiges erreicht, sodass das Haus, als es dann an den Westbesitzer übergeben wurde. in einem sehr guten Zustand war. Bloß wir alle hatten dann nichts mehr davon".
Stand: 19.03.07