Mitte Mai verfolgen Obstbauern und Winzer besonders aufmerksam den Wetterbericht: Dann sind trotz Frühlings nochmals Kälteeinbrüche und Nachtfröste möglich. Wenn das Thermometer auch nur für kurze Zeit unter den Gefrierpunkt sinkt, kann die gesamte Obstblüte oder der Traubenansatz vernichtet werden. Deshalb beugen die Landwirte mit Schutzeinkleidungen der Pflanzen vor oder benetzen die Blüten mit Wasser. Ein Eispanzer wärmt nämlich im Ernstfall.
Früher standen die Bauern einem Kälteeinbruch im Mai hilflos gegenüber. Sie brachten die kleine Naturkatastrophe mit dem Himmel in Verbindung und beugten abergläubisch vor. So durfte man in diesen Tagen etwa nicht säen oder kein Vieh auf die Weide treiben, um das Unheil nicht herauf zu beschwören. Nach der Bauernregel reicht die Gefahrenzeit je nach Region vom 11. oder 12. bis zum 14. oder 15. Mai. Die Heiligen dieser Tage heißen deshalb die "Eisheiligen". Deren bedrohlichen Reigen eröffnet hier und da Mamertus, aber meist am 12. Mai Pankratius, denn: "Pankraz hält den Nacken steif, sein Harnisch klirrt vor Frost und Reif". Aufatmen darf man wieder, wenn auch die folgenden Gedenktage des Servatius, Bonifatius und insbesondere in Süddeutschland auch der Heiligen Sophie (auch "Kalte Sophie" genannt) vorbei sind.
Legende und Meteorologie
"Pankrazi, Servazi und Bonifazi - sind drei frostige Bazi", sagt der Volksmund. Ursprünglich haben diese Herren allerdings nichts mit dem Wetter zu tun. Pankratius war ein Bischof im Gallien des 5. Jahrhunderts, Servatius starb den Märtyrertod als 14-Jähriger während einer Christenverfolgung in Rom. Bonifatius starb ebenfalls für seinen Glauben, nachdem er zuvor mit einer wunderschönen Frau ein lockeres Leben geführt hatte - falls er nicht nur die Erfindung eines frommen Romans ist. Die Bauern aber fanden neue Legenden: So habe Mamertus den Brauch der Bittprozessionen vor dem Himmelfahrtsfest eingeführt - bei ihnen betete man schließlich um eine gute Ernte. Und auf dem Grab des Servatius bliebe wie durch ein Wunder niemals Schnee liegen.
Meteorologen erklären das Phänomen der Eisheiligen durch eine Kaltluftzufuhr aus dem Norden, die durch die erste Frühjahrserwärmung geradezu angesogen wird. Warme Luftmassen über dem Kontinent steigen auf und erzeugen ein Tiefdruckgebiet am Boden. Das kann früher oder später, stark oder schwach auftreten. Und durch den Klimawandel sind die Eisheiligen auf dem Rückzug: Die jährlichen Frosttage im Mai haben seit 1935 statistisch alle zehn Jahre um zweieinhalb Tage abgenommen. Den letzten Maitag unter Null Grad gab es in Essen 1962. Trotzdem sollten Obstbauern und Winzer sich nicht in Sicherheit wiegen: Zuschlagen können die strengen Herren samt Dame immer noch.
Stand: 12.05.07