Im Advent 1844 sucht der Frankfurter Nervenarzt Dr. Heinrich Hoffmann vergeblich nach einem Weihnachtsgeschenk für seinen dreijährigen Sohn. Schließlich schreibt er ihm kurzerhand selbst ein Kinderbuch. Es wird das berühmteste aller Zeiten, inzwischen in vierzig Sprachen übersetzt, einschließlich Latein, Chinesisch und Esperanto.Das ahnt niemand, als das Buch 1845 erstmals gedruckt wird, unter dem Titel: "Lustige Geschichten und drollige Bilder mit fünfzehn schön colorierten Tafeln für Kinder von drei bis sechs Jahren." Lustig und drollig wirken die Geschichten des später "Struwwelpeter" genannten Buches allerdings kaum. "Weh jetzt geht es klipp und klapp / mit der Scher die Daumen ab, / mit der großen scharfen Scher'! / Hei! Da schreit der Konrad sehr." Während der Daumenlutscher Konrad nur verstümmelt wird, verbrennt die unvorsichtige Pauline und der notorische Suppenkasper stirbt an Magersucht.
Hoffmann sieht seine Geschichten jedoch nicht als Mittel brutaler Erziehung. Er setzt sie in seiner "Anstalt für Irre und Epileptische" ein, um junge Patienten von der Untersuchung abzulenken und ein persönliches Verhältnis zu ihnen aufzubauen. In einer Zeit, in der Kinder nicht lyrisch, sondern handgreiflich gezüchtigt werden, ist Hoffmann fortschrittlich. In seinem Tagebuch notiert er einmal, Eltern sollten ihren Kindern nicht mit dem Schornsteinfeger oder dem bösen Pillendoktor drohen. Hoffmann ist Romantiker und Poet und zugleich ein wissenschaftlich orientierter Arzt. Er führt ein unauffälliges Leben in seiner Heimatstadt Frankfurt, in der er am 13. Juni 1809 geboren wird und 1894 stirbt. Über sich selbst hat er gereimt: "Herr Hoffmann ist zu gar nichts nütz, der macht zu allem schlechte Witz." Sein "Struwwelpeter" hat diesen Pessimismus widerlegt.Stand: 13.06.04