In jedem Frühjahr geschieht Erstaunliches auf einer kleinen Insel mitten in der Irischen See. Zwei Wochen lang verzichten die Bewohner der Isle of Man auf ihr beschauliches Leben und verwandeln die Insel in ein Eldorado für Motorradfans. Seit 100 Jahren ist das 572 Quadratkilometer große Eiland Austragungsort der Tourist Trophy, des traditionsreichsten und mörderischsten Motorradrennens der Welt. Auch in diesem Jahr sind vom 25. Mai bis zum 8. Juni Zehntausende Biker angereist, um ohne Tempolimit auf öffentlichen Straßen um die Insel zu heizen. Und auch in diesem Jahr dürften einige von ihnen die Heimreise in einem Sarg antreten.
Sieger der ersten Tourist Trophy, unter Kennern kurz "TT" genannt, war P.J. Evans. Er bewältigte den seit 1907 unveränderten, rund 60 Kilometer langen Rundkurs in einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 66 km/h. Heutige Profis erreichen auf der Strecke, die durch 240 Kurven, über wechselnde Straßenbeläge, durch Dörfer und über Gebirgsstraßen führt, durchschnittlich 200 km/h und Spitzengeschwindigkeiten von 300 Stundenkilometern. Wen wundert es, dass bereits mehr als 200 Fahrer ihr Leben gelassen haben - offiziell. "In Wahrheit sind es über 1.000", verrät der mehrfache deutsche Grand-Prix -Sieger und TT-Teilnehmer Markus Barth. Sinnigerweise befindet sich die Start/Ziel-Zone direkt neben dem Insel-Friedhof.
Möglich ist dieses Rennen nur, weil die Isle of Man eine von Großbritannien unabhängige Gesetzgebung genießt. Immerhin wurde der Tourist Trophy Mitte der 70er Jahre aus Sicherheitsgründen der Status "Offizieller WM-Parcours" entzogen. Den Mythos als Härtetest für moderne Gladiatoren hat dies aber eher noch gefördert. Ein TT-Sieger kassiert nicht nur rund 30.000 Euro, er ist ein Held - wie der Brite David Jeffries. 2002 unterbot der neunfache Trophy-Champion als Erster die Schallgrenze von 18 Minuten pro Runde. "Du musst absolut wissen, was du tust", warnte Jeffries anschließend alle Amateur-Piloten. Im Jahr darauf ist auch der Rekordfahrer tot. Von einer Öllache aus der Spur gebracht, prallt Jeffries gegen eine Wand. Wie bei jedem anderen Unfall verbucht die Insel-Polizei auch diesen Toten schlicht als Verkehrsopfer.
Stand:28.05.07