"Es war etwa vier Uhr früh, ich wache auf, wundere mich über merkwürdig viel Speichel im Mund, spucke es aus", schreibt Franz Kafka im August 1917 an seine Schwester. "Merkwürdig, es ist ein Patzen Blut. Und nun beginnt es. Ich dachte, es werde gar nicht aufhören." Er hat Tuberkulose, eine damals verbreitete und schwer heilbare Krankheit. Für den 34-Jährigen ist sie das Symptom eines tiefer liegenden Leidens: "Manchmal scheint es mir, Gehirn und Lunge hätten sich ohne mein Wissen verständigt. 'So geht es nicht weiter', hat das Gehirn gesagt und nach fünf Jahren hat sich die Lunge bereit erklärt, zu helfen."Schon vor seiner Krankheit fühlt sich Kafka dem Leben nicht gewachsen: "Fast scheint es mir manchmal, dass es das Leben ist, das mich stört; wie könnte mich denn sonst alles stören?" 1883 in Prag geboren ist er von Kindheit an in einen heftigen Konflikt mit seinem Vater verstrickt. Mit 15 Jahren beginnt er zu schreiben. Er studiert zunächst Germanistik. Doch auf Wunsch seines Vaters wählt er einen soliden Beruf. Er wird Jurist und arbeitet bei der Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt in Prag.
Das Vater-Sohn-Verhältnis ist auch ein zentrales Thema seiner Bücher, die Kafka neben seinem bürgerlichen Beruf schreibt: In "Das Urteil" verurteilt ein Vater seinen Sohn zum Ertrinken; in "Die Verwandlung" wird der Sohn, der seinem Vater den Platz in der Familie streitig gemacht hat, in ein Ungeziefer verwandelt. Die Protagonisten in Kafkas Büchern haben albtraumhafte Situationen zu bestehen: In "Der Prozess" wird ein Bankprokurist verurteilt, ohne seine Schuld zu kennen. In "Das Schloss" versucht ein Landvermesser vergeblich, in das Gebäude zu gelangen. 'Kafkaesk' hat sich zu einem Begriff für Situationen entwickelt, die unverstehbar, ausweglos, absurd sind.Sieben Jahre lang leidet Kafka an den Folgen der Tuberkulose. Im Winter 1923/24 verschlechtert sich sein Zustand dramatisch. Trotzdem korrigiert er im Bett eines Sanatoriums bei Wien die Fahnen seines letzten Buches "Der Hungerkünstler". Seine Lebensgefährtin Dora Diamant und sein Freund Robert Klopstock, ein angehender Arzt, sind ständig bei ihm. Wegen der Schmerzen beim Sprechen verständigt er sich meistens schriftlich. Am 3. Juni 1924 kann er kaum noch atmen. Um die Schmerzen zu lindern, verlangt er Morphium. Sein Freund Max Brod schreibt: "Als Klopstock sich vom Bett entfernte, um etwas an der Spritze zu reinigen, sagte Franz: 'Gehen Sie nicht fort.' Der Freund erwiderte: 'Ich gehe ja nicht fort.' Franz erwiderte mit tiefer Stimme: 'Aber ich gehe fort.'" Kafka stirbt um die Mittagszeit - im Alter von 40 Jahren.Stand: 03.06.04