Stichtag

18. Dezember 1986: Das erste Opferschutzgesetz wird verkündet

Überfallen, geschlagen, geprügelt, vergewaltigt - Opfer von Straftaten sind bis in die 80er Jahre vor allem eins: ein Beweismittel. In den Gerichtsverfahren geht es vorwiegend darum, den Täter angemessen zu verurteilen. Das Opfer ist wichtig, weil es Tatzeuge ist. Es ist Mittel zum Zweck, ein Urteil zu finden. Sein möglicherweise traumatisches Erlebnis und seine verletzte Persönlichkeit spielen nur eine Nebenrolle. Der Schutz der Opfer wird erst in den 70er Jahren ein Thema: 1976 gründet unter anderem der Fernsehjournalist Eduard Zimmermann den Weißen Ring, eine Hilfsorganisation für Verbrechensopfer. Im gleichen Jahr wird das Opferentschädigungsgesetz verabschiedet. 1983 beschäftigt sich der Juristentag mit dem Thema Opferschutz. Nach langen Debatten wird das erste Opferschutzgesetz am 18. Dezember 1986 verkündet.

Durch das "Gesetz zur Stärkung der Rechte des Verletzten im Strafprozess" erhalten Opfer mehr Rechte und Möglichkeiten, in das Geschehen einer Gerichtsverhandlung einzugreifen: Sie können als Nebenkläger auftreten, sie bekommen das Recht auf Akteneinsicht, sie können schon während der Hauptverhandlung Schadenersatzansprüche geltend machen und sie werden über den Prozessausgang benachrichtigt. Zudem kann die Öffentlichkeit bei intimen Details ausgeschlossen werden. Kritiker befürchteten, dass Opfer dadurch eine Machtposition gegenüber dem Angeklagten einnehmen könnten. Das Opfer sei nicht länger ein Informant, sondern auch Partei in einem Verfahren. Rache könne bei Prozesse wieder eine Rolle spielen.

Die Befürchtungen der Kritiker treten allerdings nicht ein. Nach dem ersten Opferschutzgesetz folgen weitere. Sie legen fest, dass Opfer oder Zeugen auch außerhalb des Gerichtssaales vernommen werden können und deren Aussagen auf Videokassetten als Beweismittel zugelassen sind. Auch die Möglichkeit des so genannten Täter-Opfer-Ausgleichs wird gesetzlich gestärkt. Am 19. Juli 2006 beschließt die Bundesregierung den Gesetzesentwurf zur Modernisierung der Justiz. Darin ist neu, dass die Wiedergutmachung Vorrang vor der Geldstrafe haben soll - also zuerst das Opfer und dann der Staat sein Geld bekommt. Im letzten Jahr wurden fast 250.000 Menschen Opfer einer Gewalttat.

Stand: 18.12.06